Süddeutsche Zeitung

Apple:Trumps Steuerreform kann Politik erpressbar machen

  • Apple zahlt in den USA 38 Milliarden Dollar Steuern auf Geld, das bislang im Ausland geparkt wurde. Zudem verspricht der Konzern mehr Investitionen.
  • Mit dem "tiefen Gefühl der Verantwortung" begründet Konzernchef Cook den Schritt.
  • Der tatsächliche Anlass zur Entscheidung ist wohl die Politik des Präsidenten.

Von Claus Hulverscheidt, New York, und Alexander Mühlauer, Brüssel

Das Warten und der Trotz haben sich für Tim Cook gelohnt: Jahrelang hatte sich der Chef des Technologieriesen Apple geweigert, im Ausland geparkte Firmengewinne abzuziehen und daheim in den USA zu versteuern. Nun, nach Inkrafttreten der Steuerreform und einer befristeten Amnestie für Auslandserlöse, vollzieht er die Wende und holt einen Betrag von bis zu 250 Milliarden Dollar "nach Hause". Mit dem Geld will Apple weitere Datenzentren sowie einen dritten Firmensitz bauen und 20 000 Jobs schaffen. Zudem soll die Rekordsumme von 38 Milliarden Dollar ans Finanzamt fließen.

"Wir verspüren ein tiefes Gefühl der Verantwortung, unserem Land und den Menschen, die unseren Erfolg ermöglichen, etwas zurückzugeben", erklärte Cook. Davon war in der Vergangenheit allerdings wenig zu spüren gewesen. Vielmehr hatte Apple eine Versteuerung des Geldes mit dem US-Satz von bis zu 35 Prozent als nachteilig für die Aktionäre abgelehnt. Seit dem 1. Januar beträgt der Körperschaftsteuersatz nur noch 21 Prozent, auf Auslandsgewinne werden, je nach Art, einmalig sogar nur acht bis 15,5 Prozent fällig. Nach Berechnung des Wirtschaftsforschungsinstituts ITEP erspart sich Apple durch die Neuregelung Steuerzahlungen von 43 Milliarden Dollar.

Präsident Donald Trump zeigte sich von Cooks Ankündigung begeistert. "Ich habe versprochen, dass meine Politik es Unternehmen wie Apple erlauben wird, gewaltige Summen an Geld in die Vereinigten Staaten zurückzubringen", schrieb er im Kurzmitteilungsdienst Twitter. Es sei großartig, dass dies nun passiere. "Ein gewaltiger Gewinn für die amerikanischen Arbeitnehmer und die USA!", so der Präsident.

Tatsächlich ist der Apple-Beschluss für Trump ein persönlicher Triumph. Er kann fortan darauf verweisen, dass er nicht nur ein wichtiges Wahlversprechen umgesetzt, sondern auch für zusätzliche Steuereinnahmen, Investitionen und Stellen gesorgt hat. Dass ihm ausgerechnet die Technologieindustrie diesen politischen Erfolg beschert, hat aus Sicht der oppositionellen Demokraten eine besonders bittere Note: Die Branche hatte vor der Wahl Trumps Gegnerin Hillary Clinton unterstützt.

Cooks Beschluss wirft Fragen auf

Cook wiederum nimmt mit der Entscheidung seinen Konzern aus der politischen Schusslinie, denn Trump hatte die Tech-Firmen, insbesondere aber deren Nummer eins, immer wieder dafür kritisiert, dass sie praktisch alle Produkte in Fernost fertigen lassen. Apple kann nun an dieser Praxis festhalten und auf die neuen US-Investitionen verweisen. Allerdings wirft Cooks Beschluss auch die Frage auf, ob die Politik sich mit der angekündigten Steueramnestie nicht erpressbar gemacht hat. Schließlich könnten Firmen angesichts der jetzigen Erfahrungen auf die Idee kommen, Investitionsentscheidungen in Zukunft generell von weitgehenden staatlichen Zugeständnissen abhängig zu machen.

Auch so ist zu erwarten, dass Apples Beispiel Schule machen wird: Zwar gab es zunächst noch keine entsprechenden Ankündigungen, viele Firmen werden Cooks Entscheidung und die positiven Reaktionen der Politik und der Börse darauf aber aufmerksam registriert haben. US-Konzerne haben Schätzungen zufolge gut drei Billionen Dollar im Ausland gebunkert, dabei liegt Apple mit rund 250 Milliarden einsam in Führung. Microsoft kommt als Nummer zwei auf gut die Hälfte der Summe, dahinter folgen mit Cisco und der Google-Mutter Alphabet weitere Tech-Firmen. Aber auch Vertreter anderer Branchen wie Johnson & Johnson (Pharma), General Electric (Industrie) oder Coca-Cola (Konsumgüter) halten zweistellige Milliardenbeträge vor dem US-Fiskus zurück.

Apple wird nach eigenen Angaben in den nächsten fünf Jahren 350 Milliarden Dollar in die US-Wirtschaft pumpen. Ein großer Teil soll in den Bau weiterer Datenzentren fließen, was zeigt, dass Abo-Dienste wie iCloud und Apple Music für das einst auf Gerätebau spezialisierte Unternehmen strategisch immer mehr an Bedeutung gewinnen. Jeder Mitarbeiter erhält zudem einen einmaligen Aktien-Bonus im Wert von 2500 Dollar.

Die EU-Kommission will eine üppige Steuernachzahlung

Wie viel Geld genau aus dem Ausland in die USA fließen soll und welche der Investitionsvorhaben tatsächlich neu sind, ließ Cook offen. Er deutete aber an, dass viele der Ausgaben ohnehin geplant waren. Experten gehen zudem davon aus, dass Apple einen Teil des Geldes für Firmenübernahmen und Aktienrückkäufe nutzen wird. Solche Rückkäufe dienen dazu, den Aktienkurs zu steigern, um sich Boni und das Wohlwollen der Aktionäre zu sichern.

Auch in Brüssel wurde Cooks Erklärung aufmerksam registriert: Hier stellt man sich die Frage, was der Beschluss für jene 13 Milliarden Euro an Steuernachzahlungen bedeutet, die Irland von dem Konzern eintreiben soll. Gar nichts, hieß es am Donnerstag aus der EU-Kommission. "Apple hat sich durch einen Verstoß gegen die EU-Beihilfevorschriften einen rechtswidrigen Vorteil verschafft, der jetzt von Irland wiedererlangt werden muss - daran hat sich nichts geändert", sagte ein Sprecher. Die Behörde hatte Steuervergünstigungen der irischen Regierung für Apple im Jahr 2016 als unerlaubte staatliche Beihilfe eingestuft und Dublin verpflichtet, die Steuerschuld nachträglich einzufordern.

Neben Apple hat die Kommission weitere US-Konzerne im Visier. Gegen Google, Amazon, Facebook und Starbucks hat sie wegen unterschiedlicher Verstöße schon Strafen verhängt. Sowohl die EU als auch die Mitgliedsstaaten prüfen zudem, ob die US-Steuerreform gegen die Welthandelsregeln oder die Absprachen im Kampf gegen Gewinnverlagerung verstoßen. Eine Gruppe von zehn EU-Staaten, darunter Deutschland, versucht überdies, eine einheitliche Besteuerung für Internetkonzerne in Europa zu erreichen. Sie wollen künftig nicht mehr den Gewinn, sondern den Umsatz heranziehen, um zu verhindern, dass Firmen ihre Gewinne kleinrechnen und verschieben. Irland hat bereits Widerstand gegen die Pläne angekündigt.

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SZ vom 19.01.2018/been
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