Süddeutsche Zeitung

WM-Affäre 2006:DFB-Ermittler wollen Blatter befragen

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Die Kanzlei Freshfields bittet im Auftrag des DFB auch andere hochrangige Fifa-Mitarbeiter zu den Umständen der WM-Vergabe 2006 um eine Aussage. Die Reaktion: abwehrend.

Von Hans Leyendecker und Klaus Ott, München

Dass er angeblich nie etwas mit schmutzigen Geldgeschäften zu tun hatte - diese Beteuerung hat Sepp Blatter in zahlreichen Interviews die halbe Welt wissen lassen. Sogar seinen verstorbenen Vater brachte er dabei ins Spiel. Der habe ihm früh beigebracht, dass man kein Geld annehmen dürfe, "was man nicht selbst verdient hat", und dass man "nie versuchen" solle, seine "Ziele mit Geld zu erreichen". Wenn beim Fußball-Weltverband Fifa, dessen Präsident Blatter so viele Jahre war, Dinge dann doch anders gelaufen sein sollten, als sein Vater gepredigt hat, will der Walliser damit überhaupt nichts zu tun gehabt haben. Der Chef ist dann reingelegt worden. Das kennt man.

Ein idealer Zeuge ist der 79 Jahre alte Blatter also nicht für die Spezialisten der Kanzlei Freshfields, die seit ein paar Monaten im Auftrag des DFB Vorgänge im Zusammenhang mit der WM 2006 ermitteln. Dennoch hat Freshfields dem Weltverband mitgeteilt, man wolle Blatter zum Fall Sommermärchen befragen. Die Interviews, in denen er sich so unschuldig und auch unwissend gibt, reichen da nicht.

Auch möchte Freshfields, wie aus Schweizer Quellen verlautet, den ehemaligen Fifa-Generalsekretär Urs Linsi und den kommissarischen Fifa-Generalsekretär Markus Kattner befragen. Linsi war bis 2007 Generalsekretär der Fifa; der aus Deutschland stammende Kattner ist schon lange dabei und hat auch die vielen Beben im Verband ganz gut überstanden; er war mal Direktor für Finanzen und Administration. Spuren von Linsi und Kattner finden sich in alten deutschen WM-Akten.

Stein für Stein versucht Freshfields, das Mosaik Sommermärchen zusammenzusetzen, und da ist natürlich die Schweizer Spur schon interessant. Aber die Fifa soll, wie zu hören ist, bislang abwehrend auf die Bitten der deutschen Anwälte reagieren: Kein böser Wille, so heißt es, aber man müsse mithilfe eigener Untersuchungen erst einmal selbst rausfinden, was damals los war, bevor man den Deutschen Auskunft gebe.

Dabei ist der Anführer der Freshfields-Gruppe den Schweizern ganz gut bekannt. Christian Duve, 51, der häufig als Mediator und Schiedsrichter in wirtschaftsrechtlichen Auseinandersetzungen tätig ist, sitzt nicht nur als Vorstandsmitglied im Harvard Club Rhein-Main, sondern ist auch Schiedsrichter am internationalen Sportgerichtshof Court of Arbitration for Sport (Cas) in Lausanne.

Zahlreiche Vernehmungen und reichlich Auswertungen von Akten haben die Freshfields-Leute schon hinter sich, aber für die Ursprungsthese, dass bei der Vergabe der WM 2006 im Jahr 2000 Schmiergeld eingesetzt worden sei, gibt es wohl immer noch keinerlei Beleg. Es ist auch zweifelhaft, dass Schweizer Zeugen da weiterhelfen könnten, obwohl Blatter schon mal betont undeutlich wird, wenn er über die deutsche Bewerbung redet.

Es geht bei alledem auch um den Verbleib von umgerechnet 6,7 Millionen Euro, die der frühere Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus den Deutschen 2002 vorgestreckt haben soll. Freshfields ist im Besitz von Unterlagen, die zeigen, dass drei Jahre später via Fifa das Geld wieder an Dreyfus überwiesen wurde. Wer hat wann was bekommen? Der Unternehmer ist 2009 verstorben, seine Erben haben Freshfields abblitzen lassen. Die Kanzlei wollte wissen, an wen Dreyfus 2002 die Millionen überwiesen habe, aber angeblich gibt es keine Bankunterlagen aus dieser Zeit mehr. Die Dreyfus-Erben gelten als sehr diskret.

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SZ vom 18.12.2015
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