Süddeutsche Zeitung

Sportpolitik:Viel zu große Nähe zum Sport

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Der Sportausschuss des Bundestages soll die Vorgänge im Sport kontrollieren. Doch stattdessen kommt es wieder zu zweifelhaften Doppelfunktionen.

Kommentar von Johannes Aumüller

Eines muss man dem CSU-Politiker Stephan Mayer zugutehalten, wenn er sich dieser Tage anschickt, sowohl als sportpolitischer Sprecher der Unions-Fraktion im Bundestag wie auch als Vizepräsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) tätig zu sein: Er ist längst nicht der Erste, der dieses Ämter-Doppel anvisiert. Vielmehr gehört es zur schlechten Tradition, dass sich im Sportausschuss des Bundestages viele Verbandslobbyisten versammeln. In den vergangenen Jahren waren dort unter anderem ein Schatzmeister des Deutschen Fußball-Bundes, ein weiteres Vorstandsmitglied des DFB, Vizepräsidentinnen aus der Leichtathletik und dem Judo sowie ganz früher schon einmal ein DOSB-Vize tätig.

Aber macht das die Sache besser? Natürlich nicht. Zwar gelingt es den einen mehr und den anderen eher weniger, die Aufgaben voneinander zu trennen. Aber der Sportausschuss soll die Vorgänge rund um den Sport kontrollieren, da sollten die Mitglieder unabhängig von den Strukturen des Sports sein.

Das gilt abseits konkreter Ämter im Übrigen auch für andere Berührungspunkte mit dem Sport. So ist es keine gute Lösung, dass in dieser Legislaturperiode der SPD-Mann Frank Ullrich den Ausschussvorsitz übernimmt: Er war zu DDR-Zeiten als Biathlet und als Trainer aktiv und stieg dann später beim Deutschen Skiverband (DSV) ein. Wegen Dopingvorwürfen bezüglich seiner Zeit als DDR-Trainer, die Ullrich stets bestritt, setzte der DSV in den Nullerjahren eine Kommission ein. Die sprach zwar den Trainer vom Dopingvorwurf frei und sich auch gegen arbeitsrechtliche Konsequenten aus.

Es wird interessant, wie sich der künftige Ausschuss-Vorsitzende Frank Ullrich bei Dopingthemen positioniert

Allerdings führte sie zugleich aus, Ullrich habe zumindest ahnen können, dass in Form der berühmten blauen Pillen, dem DDR-Standardprodukt Oral-Turinabol, etwas "Verbotenes" verabreicht wurde. Wenn er auch heute daran festhalte, dass es sich bei den Pillen lediglich um legale Mittel gehandelt habe, gehe die Kommission von einem "unbewusst gesteuerten Verdrängungsmechanismus" aus. Da wird es dann interessant werden, wie sich Ullrich präsentiert, wenn demnächst mal wieder Dopingthemen zu behandeln sind. Der Chef der Kommission damals war übrigens der Jurist Franz Steinle, seines Zeichens heute Präsident des DSV und damit Ullrichs Gesprächspartner für bestimmte Fragen, etwa Fördermittel oder eine Ski-WM. So (unnötig) klein ist die sportpolitische Welt.

Bei Ullrichs künftigem Gegenspieler Mayer wiederum fußt die Aufregung nicht nur auf der sportpolitischen Doppelrolle, sondern auf dem ganzen Ablauf der vergangenen Wochen. Seit 2017 war Mayer als parlamentarischer Staatssekretär im Bundesinnenministerium auch für den Sport tätig, dann galt er im November plötzlich als einer von drei Kandidaten fürs DOSB-Präsidentenamt. Aus diesem Rennen zog er sich zurück, dafür ließ er sich zum DOSB-Vize wählen - allerdings unter dem Vorbehalt, dass ein spezielles Gremium der Bundesregierung das erst noch erlauben muss. So gerät der DOSB jetzt schon in die Verlegenheit, dass er erst einmal schauen muss, welche Aufgaben Mayer überhaupt bearbeiten soll.

Es war zu erwarten, dass Mayers Wahl zum DOSB-Vize viel Kritik auslösen würde. Und vor diesem Hintergrund ist es umso erstaunlicher, warum sich manche einflussreichen Figuren des deutschen Sports - etwa der DFB-Interimsboss Rainer Koch - so für die Wahl des CSU-Mannes ins DOSB-Präsidium ins Zeug legten; und warum es das wert gewesen sein soll, durch die Unruhe um eine Personalie den angepeilten Neuanfang des DOSB gleich zu torpedieren.

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