Süddeutsche Zeitung

Russland im Sport:Liebesgrüße nach Lausanne

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Sollen russische Sportler wieder teilnehmen dürfen? Die Bundesregierung ist dagegen. Die deutschen Athleten sind es auch. Aber der DOSB stellt sich lieber an die Seite des IOC und ist dafür.

Kommentar von Johannes Aumüller

Wie viele Russen wohl an den Sommerspielen in Paris teilnehmen? Klar doch, Russland ist wegen des Krieges in der Ukraine weiter gesperrt, wie das Internationale Olympische Komitee (IOC) erklärt, aber eine Rückkehr einzelner Sportler ist möglich. Als "neutraler" Athlet und unter "strengen Bedingungen", sprich: wenn sie den Krieg nicht "aktiv" unterstützt haben. Das ist ein Setting wie beim Staatsdopingskandal, als Russland auch gesperrt war, aber einzelne Sportler mitmachen durften. Es waren dann jeweils so viele Einzelfälle, dass Russlands Athleten bei Olympia mit das größte Teilnehmer-Kontingent bildeten.

Russland ist also zurück im Sport, und viele Russen können an den Start gewunken werden. Das kommt nicht überraschend angesichts des Einflusses und der Abhängigkeiten, die Russland über die Jahre im Weltsport aufgebaut hat. Aber nicht nur das IOC verstört in dieser Frage, sondern in seinem Beiboot auch andere Beteiligte - und dabei aus deutscher Perspektive insbesondere der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB).

Der findet nämlich auch, dass eine Rückkehr "unter strengen Voraussetzungen" möglich sein soll. Grundsätzlich kommt die IOC-nahe Position des DOSB in etwa so überraschend wie die russlandnahe Position des IOC. Es hat gewissermaßen Tradition, dass der organisierte deutsche Sport treu an der Seite der internationalen Skandalorganisationen Fifa und IOC steht. Man will doch dabei sein in der globalen Sportfamilie. Und beim DOSB haben sie es sich unter Präsident Thomas Weikert als extra Arbeitsziel gegeben, das unter seinem Vorgänger Alfons Hörmann zum Schluss zerrüttete Verhältnis zum IOC zu kitten.

Dem Schachbund sind schon Mittel gestrichen worden, weil seine Sportler gegen russische Gegner antraten

Aber die aktuelle Positionierung für eine Rückkehr russischer Athleten in die internationalen Wettkämpfe hat spezielle Folgen. Denn sie steht im Widerspruch zu zwei zentralen Akteuren der Sportpolitik. Der erste ist die Politik. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat schon kundgetan, dass sie von dem Schritt gar nichts hält. Ihr Haus ist nicht nur für den Sport zuständig, sondern zugleich auch der größte Finanzier des Spitzensports. Rund 300 Millionen Euro fließen jährlich - und die sind an bestimmte Bedingungen gekoppelt. Der Deutsche Schachbund zum Beispiel bangt um seine Zuwendungen, weil seine Sportler international gegen russische Gegner antreten (der Schachsport gehört zu den wenigen Ausnahmen, in denen russische Sportler gerade nicht gesperrt sind).

Den zweiten Widerpart bilden diejenigen, um die es der Sportpolitik doch angeblich immer in erster Linie geht: die Sportler. Die deutschen Athletenvertreter sind - wie auch Athletenvertreter anderer westlicher Nationen - gegen eine Rückkehr der russischen Sportler zum jetzigen Zeitpunkt. Schon bei der Reform des Leistungssports und bei anderen wichtigen Fragen offenbarten sich erhebliche Differenzen zwischen DOSB und Athleten. Jetzt zeigt sich erneut, dass es die Sportpolitik nicht groß kümmert, was die eigenen Athleten sagen. Hauptsache, beim IOC in Lausanne dürfen sie zur Kenntnis nehmen, dass der deutsche Sport mal wieder auf Linie liegt.

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