Süddeutsche Zeitung

Handball-EM:Am Ende steigt die Fehlerkurve

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Unnötige Ballverluste und überhastete Würfe: Die stark ersatzgeschwächte deutsche Handball-Nationalmannschaft unterliegt Schweden und verpasst das EM-Halbfinale. Dennoch gibt es einige positive Erkenntnisse.

Von Ralf Tögel

War es der verworfene Siebenmeter von Tobias Reichmann? Die vergebene Riesenchance von Patrick Wiencek? Die Fehlpässe von Fabian Wiede und Rune Dahmke? In Summe jedenfalls unterliefen den Handballern der deutschen Nationalmannschaft erneut zu viele leichte Fehler, unnötige Ballverluste und überhastete Fehlwürfe. Am Ende stand mit dem 21:25 (10:12) gegen Schweden die dritte Niederlage im dritten Hauptrundenspiel, damit hat Deutschland vor dem abschließenden Hauptrundenspiel gegen Russland am Dienstag (18 Uhr) keine Chance mehr, das Halbfinale zu erreichen.

Selbst Johannes Bitter konnte den Vorderleuten nicht entscheidend helfen; von Daniel Rebmann, der für den 39-Jährigen zwischenzeitlich in die Partie kam und eine gute Leistung zeigte, durfte man ohnehin keine Wunderdinge erwarten. Der nachnominierte Torhüter steht wie kein Zweiter für diese zusammengewürfelte Formation und den kuriosen Turnierverlauf bei der EM in der Slowakei und Ungarn.

Der 28-Jährige lebt gerade seinen Traum, internationale Erfahrung sammelte Rebmann bislang ausschließlich im Sand - bei den Europameisterschaften im Beach-Handball 2015 und 2017. Rebmann hat noch keinen einzigen Lehrgang mit dem Nationalteam absolviert, dann kam der Notruf von Bundestrainer Alfred Gislason und Rebmann debütierte zwei Tage später gegen Spanien im Nationalteam.

Das deutsche Team führt mit 13 Corona-Infizierten die Liste des Grauens nach wie vor an

"Für Deutschland zu spielen war immer mein Traum", sagte Rebmann, ein bisschen surreal empfinde er die EM aber schon, denn einige Mitspieler kennt er noch gar nicht, weil die Infizierten ihre Einzelzimmer nicht verlassen dürfen. Die Vorbereitung auf das Spiel war virtuell, erst in der Halle besprach Rebmann mit Torwarttrainer Mattias Andersson und Bitter die gegnerischen Wurfbilder. Auch den persönlichen Kontakt vermisse er, sagte der Göppinger vor der Partie gegen Schweden, aber vielleicht bekomme er ja noch irgendwann die Gelegenheit dazu.

Das liegt fortan in der Hand vom Bundestrainer, das Turnier ist zwar gelaufen, Gislason war dennoch "sehr zufrieden, was die Mannschaft unter diesen Umständen geleistet hat". Letztlich habe die bessere Bank der Schweden den Unterschied gemacht, gleichwohl hielt sein Team die Begegnung lange offen. Beim 15:15 ging es hin und her, Deutschland vergab mehrmals die Chance zur Führung, dann drehten die Schweden das Spiel zu ihren Gunsten.

In welcher Formation Gislason gegen Russland antreten wird, ist offen, der freigetestete Hendrik Wagner klagte "nach drei Angriffen über Atemnot", gab Gislason zu bedenken.

Womit man beim sportlichen Wert der Veranstaltung wäre, der sinkt von Spieltag zu Spieltag. Kein Team kann in Bestbesetzung auflaufen, was besonders für die deutsche Auswahl gilt, die mit 13 Corona-Infizierten die Liste des Grauens nach wie vor anführt. Hätte Gislason vor der EM gesagt, dass er in den entscheidenden Spielen gegen Norwegen und Schweden den Rückraum mit Julian Köster vom Zweitligisten Gummersbach sowie Lukas Stutzke und David Schmidt (beide Bergischer HC) zu besetzen gedenke, man hätte ihn wohl vorsichtshalber seines Amtes enthoben. Kampfgeist und Einsatz waren indes jederzeit tadellos, zu wenig allerdings gegen die hochkarätig besetzten Skandinavier.

Positive Erkenntnisse gab es dennoch einige: Köster etwa, der Jüngste im Team, zeigte gegen Schweden mit vier Toren und sehenswerten Kreis-Anspielen erneut eine Klasseleitung, Torhüter Till Klimpke wusste vor seiner Infektion zu überzeugen, Kapitän Johannes Golla stellte trotz seiner 24 Jahre unter Beweis, dass er bereits zur absoluten Weltspitze zählt. Das ausgegebene Ziel - die Hauptrunde zu überstehen und zwei Punkte mitzunehmen - wurde mit dem famosen Sieg gegen Polen erfüllt. Dass gegen den Titelverteidiger Spanien, den EM-Dritten Norwegen und den WM-Zweiten Schweden kein Sieg gelang, sollte niemanden überraschen.

Während die finale Partie gegen die Russen noch aussteht, hat die DHB-Delegation bereits mit der Abreise begonnen. Die in Quarantäne befindlichen Akteure sind "in einem ersten medizinischen Transport mit Fachpersonal und entsprechender Ausstattung" bereits auf dem Heimweg, wie der DHB mitteilte. Für das unbedeutende Spiel gegen Russland weiß Bundestrainer Gislason immerhin genügend gesunde Spieler im Kader.

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