Süddeutsche Zeitung

FC Bayern und van Bommel:"Die brauchen vielleicht jemanden"

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Die Defensive des FC Bayern hat beim VfB Stuttgart erneut große Schwächen offenbart. Doch der Kauf der Wunschkandidaten stockt. Immerhin: Mark van Bommel hat seinen Humor nicht verloren - und bleibt womöglich doch.

Thomas Hummel, Stuttgart

Als Mark van Bommel nach dem Duschen zum Mannschaftsbus ging, lief auf einem Bildschirm hoch oben in der Ecke das Elfmeterschießen in Aachen. Benjamin Auer schoss gerade den entscheidenden Strafstoß für den Zweitligisten gegen Frankfurt. "Oh, Frankfurt ist draußen", bemerkte van Bommel und fügte die Frage an: "Wie hat denn Wolfsburg gespielt?"

Wolfsburg. Seit Tagen spekuliert Fußball-Bayern, ob der 33-jährige Kapitän des FC Bayern tatsächlich in der Winterpause, also innerhalb der kommenden zwei Wochen, zum VfL Wolfsburg übersiedelt. Und wer darüber entscheidet. Es ist die vielleicht öffentlichste Personalie seit Jahren in dem sonst so verschwiegenen Betrieb der FC Bayern AG. Inzwischen äußert sich vom Präsidenten über den Vorstandsboss über den Sportdirektor, Trainer und Spieler jeder in der Form, dass er nichts mehr dazu sagen will. Um dann doch etwas dazu zu sagen. Weil es jetzt ohnehin zu spät ist.

Sportdirektor Christian Nerlinger sagte nach dem Spiel in Stuttgart: "Mark van Bommel hat einen laufenden Vertrag, deshalb verstehe ich die Spekulationen nicht." Trainer Louis van Gaal bemerkte zum Stand, ob sein Mittelfeldspieler wechselt oder nicht: "Am Ende entscheidet immer der Spieler."

Mark van Bommel sagte: "Ich habe immer mit vollem Herzen beim FC Bayern München gespielt. Aber ich entscheide nicht. Auch der Trainer hat eine starke Stimme." So wird sich gegenseitig der Ball zugespielt.

Nachdem der FC Bayern im Herbst die Erkenntnis zugab, seine Mannschaft bald mit ein paar Ergänzungen auffrischen zu wollen, jagt in München ein Gerücht das nächste, eine Wasserstandsmeldung löst die vorherige ab. Die beiden wilden Partien in Stuttgart mit den Siegen 5:3 (Bundesliga) und 6:3 (DFB-Pokal) dürften die Debatten über den defensiven Mannschaftsteil nicht verstummen lassen. Im Gegenteil.

Die Innenverteidigung bestätigte auf fast fatale Weise, dass seit der Verletzung von Holger Badstuber dort spielen kann, wer will. Stabilität will sich nicht einstellen. (Martin Demichelis ist bereits auf der Suche nach einem neuen Klub, offenbar ist der FC Malaga ein möglicher Abnehmer, auch der FC Valencia soll interessiert sein.)

Das gleiche gilt für den Posten links hinten und auch das defensive Mittelfeld wirkt bisweilen wenig präsent und überzeugend. Nerlinger betonte nochmals: "Wenn wir zu hundert Prozent davon überzeugt sind, dass ein Spielerkauf uns verstärkt, dann werden wir das tun."

Erste Wahl für den Linksverteidiger-Posten ist der Engländer Leighton Baines. Sein Arbeitgeber FC Everton könnte 15 Millionen Euro gut gebrauchen, doch der 26-Jährige spürt offenbar kein Verlangen nach einem Wechsel nach München. In englischen Medien sagte er zum Werben der Bayern: "Ich weiß nicht allzu viel davon. Ich habe gerade einen neuen Vertrag in Everton unterschrieben, ich habe mich im Sommer an den Klub gebunden und habe nicht vor, ihn zu verlassen."

Das dürfte den Druck auf die TSG Hoffenheim erhöhen. Dass der dortige Defensivspieler Luiz Gustavo nach München wechseln wird, ist nach entsprechenden Einlassungen vor allem von Mäzen Dietmar Hopp Allgemeingut ("Es wäre eine Ehre für den Spieler, wenn er für die Bayern spielen könnte"). Doch die sportliche Führung in Hoffenheim will Gustavo erst im Sommer ziehen lassen. Sollten die Bayern allerdings nun unter dem Eindruck der sechs Stuttgarter Gegentore sich gezwungen fühlen zu handeln und die Ablöse Richtung 20 Millionen Euro treiben, müssten wohl auch Trainer Ralf Rangnick und Sportdirektor Ernst Tanner nachgeben.

Gustavo wäre ein Übergangskandidat für links hinten, seine eigentliche Planstelle liegt allerdings im Hoheitsgebiet des Mark van Bommel. Als sicher gilt deshalb, dass der Niederländer im Sommer keinen neuen Vertrag bekommt. Doch war der Auftritt in Stuttgart vielleicht gar sein letzter für den FC Bayern München? Das Ende nach vier Jahren in München?

Es wäre jedenfalls ein kurioses Ende mit fast trauriger Note. Kurz nach der Halbzeit deutete der 33-Jährige einen leichten Schmerz im Oberschenkel an. "Da dachten einige Jungs, ich wollte ausgewechselt werden, aber das stimmte nicht", sollte er später klagen. Zu den Jungs zählten wohl die Klub-Ärzte, die ihre Gedanken Trainer van Gaal mitteilten, der seinen Landsmann nach 54 Minuten vom Platz holte. An der Ersatzbank angekommen, schimpfte van Bommel lauthals in Richtung Trainer und Ärzte.

Van Gaal kam das Zeichen der Ärzte tatsächlich gelegen. Denn unübersehbar war wieder, dass van Bommel weit von seiner Form entfernt ist, dass diesem grimmigen Mittelfeld-Kämpfer die Diskussionen um seine Person zusetzen. Der Wechsel habe auch "ein bisschen" taktische Gründe gehabt, gab der Trainer zu. Eine listige Umschreibung dessen, dass ihm van Bommels Auftritt nicht gefallen konnte.

Dennoch deutete sich in Stuttgart die Tendenz an, dass der Kapitän bis Saisonende in München bleiben wird. Ohnehin führt van Bommel in seiner Lebensplanung als letzte Spieler-Station den Heimatverein PSV Eindhoven, und er wird im April 34 Jahre alt. "Ich glaube nicht, dass Mark im Winter gehen wird", wurde Karl-Heinz Rummenigge zitiert. Obwohl ihn die Debatte merklich beeinträchtigt, hat van Bommel immerhin seinen Humor nicht verloren.

Als ihm jemand mitteilte, dass der VfL Wolfsburg zuvor gegen den Zweitligisten Cottbus sang- und klanglos 1:3 ausgeschieden war, verzog er ein wenig das Gesicht. Und bemerkte schelmisch: "Die brauchen vielleicht jemanden." Das Gelächter in der Runde war groß.

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