Süddeutsche Zeitung

FC Bayern: JHV:Der Saal ruft "Uli, Uli"

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Die Kritiker beim FC Bayern beugen sich der Wucht der Historie und des finanziellen Erfolgs. Auch Trainer van Gaal ist ein Sieger des Abends.

Thomas Hummel

Als die Uhren streng auf Mitternacht zuliefen, saßen zwei Herren im Anzug in einem kleinen Raum, der als Pressekonferenz-Zimmer gestaltet war - und kamen aus dem Grinsen nicht mehr heraus. Der Druck war da längst abgefallen von Uli Hoeneß und Franz Beckenbauer, es war Zeit für die letzten Scherze. "Was mir sehr gut gefallen hat, war, dass du einmal im Monat jedes Mitglied empfangen willst, um dir die Probleme anzuhören. Ich bin ja auch Mitglied", sagte Beckenbauer und sah seinen Nachbarn dabei an wie ein Lausbub aus Obergiesing. Die beiden wirkten regelrecht seelig. Selbst die seriösesten unter den Medienvertretern konnten nicht mehr anders und mussten schmunzeln.

Fünf Stunden zuvor hatte keiner der fast 5000 Menschen in der Halle C1 der Münchner Messe geglaubt, dass dieser Abend mit Lausbuben-Scherzen enden würde. Zu viel war sportlich schief gegangen im vergangenen Geschäftsjahr des FC Bayern München: kein Titelgewinn 2009, nun Platz sieben in der Bundesliga, das drohende Aus in der Champions League, teils furchterregend öder Fußball unter dem neuen Trainer Louis van Gaal. Und die Jahreshauptversammlung wurde von Fans und Opponierern schon immer gerne genutzt, um die Kluboberen vor aller Öffentlichkeit mal richtig anzugehen.

"Wir hatten ein bisschen Muffensausen vor diesem Abend", gab Uli Hoeneß am Rednerpult vor den 4490 Mitgliedern und 140 Pressevertretern zu. Doch dann hatten es die Redner Beckenbauer und Karl-Heinz Rummenigge geschafft, dem angestauten Grimm allen Boden zu nehmen. Es wurde der Abend der Versöhnung: "Wir werden kämpfen und fighten für unsere Ziele, aber das geht nur gemeinsam und nicht gegeneinander", rief Rummenigge in den Saal.

Es war auch ein Abend der Besinnung auf höhere Werte: "Der FC Bayern ist viel mehr als die 22. Meisterschaft", verkündete der sonst so kühle Vorstandsvorsitzende. Der Klub stehe auch für Treue, Heimat, Verantwortung, Respekt. Die alten Werte also, der alte Fußball und kaum jemand verkörpert diese alte Fußballwelt so wie Franz Beckenbauer und Uli Hoeneß. Als dann die beiden Protagonisten des Abends - Beckenbauer wurde nach 15 Jahren als Vereinspräsident ins Ehrenamt verabschiedet, Hoeneß nach 30 Jahren als Manager zum Präsidenten gewählt - mit emotional aufgeladenen Filmen geehrt wurden, "war das Eis gebrochen", wie Hoeneß erkannte.

99,3 Prozent für Hoeneß

Der 57-Jährige hatte den Stimmungswandel an der eigenen Seele erlebt. Noch bis 16 Uhr habe er mit seiner Sekretärin im Büro die "Post erledigt", den Kopf noch voll mit dem Tagesgeschäft sei er zum Messegelände gefahren. Der alte Manager Hoeneß eben. Erst dort sei ihm bewusst geworden, was auf dem Spiel stehe. "Was mache ich, wenn ich nur 60 oder 70 Prozent Zustimmung bekomme? Da wäre ich stinksauer gewesen." Doch dazu gab es keinen Anlass: Zuerst begrüßten ihn die Mitglieder mit "Uli, Uli"-Rufen, dann stimmten 99,3 Prozent für den neuen Präsidenten Hoeneß und der Film mit Bildern und Stationen aus seiner Vergangenheit war für Hoeneß "sehr emotional. Das ging mir an die Nieren."

Offenbar erging es den Mitgliedern ähnlich. Aus 50 angekündigten Wortmeldungen wurden am Ende nicht mal mehr 20. Zu kleinkariert erschien eine Kritik an dem ein oder anderen verpatzten Transfer angesichts der Wucht der Erfolge, die Beckenbauer und Hoeneß verkörpern. Auch angesichts der Wucht des finanziellen Erfolgs. Durch die Verlängerung des lukrativen Sponsorenvertrags mit der Telekom (geschätzt: 25 Millionen Euro pro Jahr) und dem Einstieg von Audi als Teilhaber der FC Bayern AG für 90 Millionen Euro wird der Klub viel schneller als gedacht sein Stadion abbezahlen können, "das schönste Stadion der Welt", wie Beckenbauer bestimmte. Und dann, verspricht Hoeneß, wird der FC Bayern der reichste Verein der Welt sein und auch sportlich in Europas Spitze mitmischen.

Beifall für van Gaal

Angesichts der Wohlfühl-Atmosphäre hob sich die Laune von Uli Hoeneß derart, dass er wohl am liebsten jeden Wunsch der Mitglieder erfüllt hätte. Ein Bayern-Museum? Ich denk drüber nach. Die umstrittene Fangruppierung Schickeria? Ich reiche die Hand. 1860 will ausziehen? Wir halten sie nicht auf.

Der Emotions-Mensch Hoeneß dürfte auch bemerkt haben, dass die Mitglieder den Trainer Louis van Gaal sehr wohlwollend begrüßt haben. Kein Vergleich zu den Protesten gegen Jürgen Klinsmann ein Jahr zuvor. Das Volk steht offenbar hinter dem knorrigen Niederländer, der sich gerade mit Luca Toni zofft und dessen Mannschaft wahrlich keinen schönen Fußball bietet. Und so war auch der Trainer ein Sieger des Abends.

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