Süddeutsche Zeitung

Deutschland bei der Basketball-WM:Gut angefangen, gut aufgehört

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Das DBB-Team zeigt auch ohne den verletzten Franz Wagner beim 85:82 gegen Medaillenanwärter Australien eine Topleistung und zählt nun selbst zu den Mitfavoriten. Dennis Schröder ragt aus einer starken Mannschaft heraus.

Von Ralf Tögel, Okinawa

Dennis Schröder war der Erste auf dem Spielfeld. Schon eineinhalb Stunden vor Beginn der Partie gegen Australien warf der Kapitän der deutschen Basketball-Nationalmannschaft mit dicken weißen Kopfhörern auf den Ohren ein paar Körbe, um die Glieder zu lockern für dieses wichtige zweite Spiel bei der Weltmeisterschaft in Japan, Indonesien und den Philippinen. Der 29-Jährige wusste genau, dass er an diesem Sonntagabend in der Arena zu Okinawa in besonderem Maße gefordert sein wird: als Anführer, Spielmacher und als Punktesammler. Und der Point Guard der Toronto Raptors hielt dem Druck in beeindruckender Manier stand.

Denn Franz Wagner stand zwar mit den Teamkollegen auf dem Spielfeld als die deutsche Nationalhymne ertönte, allerdings im Trainingsanzug und mit einem dicken, grauen Stützstiefel am linken Fuß. Der NBA-Profi von Orlando Magic war im letzten Viertel beim 81:63-Auftaktsieg gegen Co-Gastgeber Japan umgeknickt. In Abstimmung der Teamärzte mit einem Radiologen in Deutschland und den Verantwortlichen seines Vereins war entschieden worden, auf einen Einsatz zu verzichten. Ausgerechnet an seinem Geburtstag musste der nun 22-Jährige also zuschauen, doch was er zu sehen bekam, dürfte ihm ein großer Trost gewesen sein: Das deutsche Team bezwang in einer hochklassigen, intensiven und bis zur letzten Aktion nervenaufreibenden Partie den Medaillenkandidaten Australien mit 85:82 Punkten. Weil die Japaner am späten Abend die Finnen 98:88 geschlagen haben, steht die deutsche Mannschaft vor dem letzten Spiel gegen die Finnen am Dienstag (9.30 Uhr) bereits als Gruppensieger fest.

Und hat spätestens mit diesem Auftritt bewiesen, dass das Ziel eine Medaille zu holen, keineswegs träumerisch hoch angesetzt ist. Trainer Gordon Herbert war in dem jüngeren der beiden Wagner-Brüder ein Schlüsselspieler ausgefallen, der Kanadier hatte nie einen Hehl daraus gemacht, dass Schröder und Franz Wagner die Säulen der Mannschaft sind. Doch wie schon bei der Europameisterschaft wurde erneut offenbar, wie viel Substanz in diesem Kader steckt. Herbert hatte den Ausfall seines Hochtalentierten zur Chance für die Kollegen umgedeutet, es müssten halt ein paar andere Spieler den Part von Wagner übernehmen. Isaac Bonga, 23, zum Beispiel, der Münchner war für den Verletzten in die Startformation gerückt. Oder Routinier Niels Giffey, 32, der ebenfalls beim FC Bayern sein Geld verdient. Herbert hat die Aufgaben für jeden einzelnen Spieler exakt definiert, so weiß jeder, was von ihm verlangt wird. Es ist wie ein Mosaik, wenn sich die Teilchen zusammenfügen, dann wird daraus ein schönes Bild - an diesem Abend ein besonders schönes.

Dennis Schröder war der Spieler des Abends und stellte mit 30 Punkten eine neue WM-Bestmarke auf

Der Start ins Spiel gelang fast schon nach Wunsch, die deutsche Abwehr agierte konzentriert und aggressiv, die von Schröder herausragend strukturierte Offensive nicht weniger erfolgreich. Beim Stand von 0:8 nahm Australiens Coach Brian Goorjian die erste Auszeit, um den Spielfluss des Gegners zu unterbrechen. Er weiß ja neun NBA-Profis in seiner Mannschaft, kein Team außer den USA hat so viele Akteure aus der weltbesten Liga im Kader. Aus dieser Riege stachen zwei heraus: Spielmacher Patty Mills, der die ersten 13 Punkte für sein Team allesamt selbst erzielte und am Ende mit 21 bester Schütze war; sowie Josh Giddey (17 Punkte), die beide den Charakter dieses Teams gut beschreiben. Der 35-jährige Mills ist ein ausgebuffter NBA-Veteran, Giddey steht für eine Riege an jungen Wilden.

Doch der Gegner hatte eine noch stimmigere Mischung auf dem Parkett, im deutschen Team griff ein Rädchen in das andere. Neben Bonga (9 Punkte) und Giffey (2) waren Johannes Thiemann mit wuchtiger Abwehrarbeit (2) und Maodo Lo zur Stelle. Der Berliner Spielmacher, der im kommenden Jahr für Mailand spielen wird, agierte nach einem mäßigen Auftaktspiel in der Galaform von der EM. Neben seinen 20 Punkten bot der 30-jährige Lo auch in der Abwehr eine tadellose Leistung. Daniel Theis spielte schon gegen Japan stark, seine spektakulären Blocks krochen auch in die Köpfe der Australier, zudem ist Theis ein verlässlicher Punktelieferant (9).

Überstrahlt wurde das alles aber von Dennis Schröder, der mit 30 Punkten einen neuen WM-Bestwert aufstellte, zudem acht Vorlagen gab und Spiel und Tempo bestimmte - was ihm zurecht das Prädikat des besten Spielers einbrachte. Es ist bemerkenswert, wie der 29-Jährige Weltklasseleistungen in Serie abruft, was selbst dem zurückhaltenden Dirk Nowitzki, der eigens für das Spiel aus Manila eingeflogen war, mehrmals spontanen Jubel entlockte.

Über die Partien oder mögliche Gegner in der nächsten Runde wollte trotz des vorzeitigen Sieges in der Gruppe E niemand reden. Es ist aber gut möglich, dass Trainer Gordon Herbert Spielern aus der zweiten Reihe größere Spielanteile zugesteht. Auch zu einem möglichen Mitwirken von Franz Wagner werde er erst etwas sagen, wenn es etwas zu sagen gebe. Den emotionalen Abend bilanzierte der stoische Kanadier ebenfalls seinem Naturell entsprechend: "Wir haben gut angefangen und gut aufgehört."

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