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Saudi-Arabien scheitert beim Asien-Cup:Bloß nicht hinsehen!

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Im Angesicht der drohenden Niederlage verlässt Saudi-Arabiens Trainer Roberto Mancini vorzeitig den Platz - mitten im Elfmeterschießen. Er steht nun bei seinem neuen Arbeitgeberland massiv in der Kritik. Jürgen Klinsmann dagegen darf mit Südkorea auf den Titelgewinn hoffen.

Von Felix Haselsteiner

Dann ging Roberto Mancini. Vielleicht hatte der Trainer genug gesehen in diesen 120 Minuten zwischen Saudi-Arabien und Südkorea, die letztlich in einem Elfmeterschießen endeten, in dem zwei von Mancinis saudischen Spielern ihre Schüsse vergaben und Südkorea nur noch einen Treffer brauchte, um ins Viertelfinale des Asien-Cups einzuziehen. Vielleicht wollte Mancini das alles auch nicht mehr sehen.

Er spazierte stattdessen in die Kabine, die Krawatte immer noch akkurat gebunden, wie immer. Er ging vorbei an seinen Ersatzspielern und an seinem verdutzten Co-Trainer Yaya Touré, mit dem er sich während des Spiels immer wieder wild gestikulierend entrüstet hatte. Mancini ging sogar, ohne die Hand von Südkoreas Trainer Jürgen Klinsmann zu schütteln, dem anderen einstigen Stürmer der Serie A, der auf der anderen Seite stand im Education City Stadium von Katar.

Mancini ging so zielstrebig, als würde er irgendeiner Regieanweisung folgen, von der der Rest der Welt nichts wusste. Er ging, als wäre dies das Ende eines Dramas im Orient - und, wer weiß es, außer vielleicht Mancini selbst: Vielleicht deutet sich da tatsächlich ein Ende an?

Später, in der Pressekonferenz, entschuldigte sich der 59-Jährige für diesen in der Fußballwelt einigermaßen einzigartigen Abgang. "Ich wollte niemanden beleidigen, ich dachte, es wäre vorbei", sagte der Italiener, der allein in seiner Trainerkarriere 800 Spiele miterlebt hat - kann man da den Modus beim Elfmeterschießen wirklich vergessen? Mancini versuchte sich zu retten, er sei "glücklich und traurig" zugleich, sagte er, weil seine Mannschaft zwar ausgeschieden, aber jetzt, nach diesem knappen Monat aus Vorbereitung und Turnier, "eine echte Mannschaft" geworden sei.

Es ist durchaus ein ambitioniertes Projekt, für das sich Mancini im Wüstenstaat Saudi-Arabien entschieden hat, wo es - aus dem europäischen Blickwinkel heraus betrachtet - vor allem um die Faszination der vielen Scheine geht. Knapp 100 Millionen Euro soll sein Vertrag als Cheftrainer der Nationalmannschaft laut Medienberichten wert sein, die genauen Zahlen sind nicht bekannt, aber das ist wohl auch irrelevant: Genug Geld verdient Mancini, und so hatte er sich im vergangenen Jahr vom prestigeträchtigsten Amt seines Heimatlandes unter heftigster öffentlicher Kritik verabschiedet; schließlich hat er ja mit seinem Ausstieg auch auf eine Titelverteidigung mit Italien bei der EM im Sommer verzichtet.

"Mancinis vorzeitiges Abgehen vom Spielfeld ist inakzeptabel", sagt Yasser Al Misehal

Die saudische Fußballkultur allerdings unterschätzt man leicht, sie ist jedenfalls weniger von der Faszination für Geldscheine getrieben - Erfolg messen die Zuschauer dort ebenfalls in Toren und Gesten. Mancini hat innerhalb seiner ersten Monate schnell realisiert, dass er in seiner neuen Rolle zwar mehr Entschädigung bekommt, aber genauso viel Kritik. Vor dem Asien-Cup verzichtete er auf drei bekannte Spieler im Kader, die ihm nicht genug Einsatzwille vermittelten. Der ehemalige Kapitän Yasser Al-Qahtani brandmarkte ihn dafür als "respektlosen Feigling", erst eine erfolgreiche Vorrunde beim Turnier beendete die Debatten - die nun wieder aufkommen.

Der Abschied in dem von enthusiastischen Saudis gefüllten Stadion sorgte sogar für Kritik von höchster Stelle. "Mancinis vorzeitiges Abgehen vom Spielfeld ist inakzeptabel", sagte Yasser Al Misehal, der Präsident des saudi-arabischen Fußballverbandes und als solcher eine einflussreiche Figur in der neuen, finanzstarken Sportwelt des Landes. Die wird von einer hohen Erwartungshaltung geprägt, wie in den vergangenen Wochen schon desillusionierte Fußballspieler wie der nach Europa zurückgekehrte Jordan Henderson erkannt haben. Ein hoch dotierter Job in Saudi-Arabien ist keine Vergnügungsreise - spätestens nach seinem verfrühten Abtritt dürfte das nun auch Roberto Mancini erkannt haben.

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