Süddeutsche Zeitung

Fußball in Frankreich:Rudelbildung am Fürstenhof

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Fünf Tore und fünf Platzverweise: Niko Kovac und Kevin Volland erleben beim spektakulären 2:3 gegen Lyon mit Monaco den ersten großen Rückschlag der Saison - Frankreichs Meisterschaft wird immer mehr zum Drama.

Von Jonas Beckenkamp

Als am Ende alles drunter und drüber lief und Menschenleiber aneinander prallten, behielt zumindest Kevin Volland die Contenance. Der deutsche Stürmer von AS Monaco war schon von dannen geschlichen, er schaute sich die Keilerei aus der Ferne an, während sein Trainer Niko Kovac sich als Schlichter ins Getümmel warf. Es waren Szenen des Tumults, die sich nach dem Schlusspfiff von Frankreichs Topspiel am Sonntagabend abspielten. Hände und Arme wedelten wild, jeder gegen jeden, wie ein Rudel Halbstarke auf dem Bolzplatz.

Das Ergebnis lautete rein zahlenmäßig 3:2 für Olympique Lyon - kurioserweise nach Toren wie auch nach Platzverweisen. Die Schlagzeile "Furioser Irrsinn" der Sportzeitung L'Équipe war also mehr als angemessen, ob eines Spiels, das Geschichten für ein ganzes Jahr produzierte. Zum Beispiel jene von Kovac, der mit den Monegassen einen riesigen Schritt Richtung Champions-League-Quali verpasste. Als Trainerneuling in der Ligue 1 hat er die Association Sportive de Monaco Football Club binnen weniger Monate nach oben geführt.

Aber ausgerechnet jetzt, als es gegen den direkten Konkurrenten um die Königsklasse ging, erlebte sein Team einen Crash. Nüchtern betrachtet bedeutete Monacos Niederlage, die sich erst in der 89. Minute durch einen Treffer von Lyons 17-jährigem Rayan Cherki manifestierte, einen Schlag für die Ambitionen von Kovac. Lange hatte vieles gut ausgesehen für den ehemaligen Bayern-Coach und seinen Vollstrecker Volland.

Der hatte nach einer Szene, die er selbst einleitete, mit seinem 16. Saisontreffer früh das 1:0 erzielt, ehe Memphis Depay Monaco mit seinem 1:1 den ersten Gegentreffer nach bemerkenswerten 866 Minuten ohne einen solchen verpasste. Es folgten einige Belege, warum Kovacs Elf zwar stets effizient wirkt, aber eben mitunter auch etwas grün. Dass der Brasilianer Marcelo unbehelligt zum 2:1 einköpfeln durfte, lag auch an der Unerfahrenheit Monacos, dem zweitjüngsten Team in Europas Topligen. Und nach Wissam Ben Yedders Elfer zum 2:2 kurz vor Schluss überschlug sich alles.

Kovac lässt in Monaco physischen Powerfußball spielen

Schon in der 70. Minute hatte Lyons Maxence Caqueret Gelb-Rot gesehen, nach dem Abpfiff gab es schließlich Feldverweise für die Olympique-Raubeine Marcelo und Mattia de Sciglio, sowie für Monacos Pietro Pellegri und Willem Geubbels. "Ich weiß, welcher Spieler von Lyon das alles angezettelt hat, aber ich will es jetzt nicht mehr vertiefen", meinte Kovac düster. Fest stand, dass es erinnerungswürdige Minuten waren - und dass nun die ein oder andere längere Sperre ansteht.

Und das Spiel an sich? Diese verpasste Chance im Meisterrennen? "Ich bin eigentlich nicht allzu enttäuscht", sprach Kovac trotzig, "denn wir haben wirklich alles versucht." Das konnte man einerseits verstehen, denn seine Truppe hatte gezeigt, was sie ausmacht: Überfallfußball, Lust aufs frühe Attackieren, direktes Spiel in die vorderen Reihen, ohne allzu glanzvollen Ballbesitz. Kovac hat Monaco seine Idee vom physischen Powerspiel eingeimpft, das wird immer deutlicher.

Andererseits hat man sich als Tabellendritter (nur noch einen Zähler vor Lyon) fast schon aus dem Titelrennen verabschiedet. Fünf Punkte beträgt nun der Rückstand auf Lille, die Überraschungsmannschaft des Jahres, die mit dem früheren Bayern-Profi Renato Sanches weiterhin vor PSG das Ranking anführt. Bei noch drei ausstehenden Runden sei der Abstand schon "beträchtlich", fand Kovac, "ich denke Paris und Lille machen das jetzt unter sich aus."

Aber auch wenn es mit ganz vorne nichts mehr wird, kann er auf eine Saison des Fortschritts blicken. Nach mageren Jahren ist Monaco zurück unter den Topklubs in Frankreich, zudem könnte Kovac sein viertes Pokalfinale in Serie erreichen: Im Halbfinale geht es gegen Viertligist Rumilly-Vallières. Man ist gerade dabei, sich in den Hügeln über Monte Carlo ein schmuckes Trainingszentrum zu bauen und die Mannschaft scheint dank einiger Talente aus der eigenen Akademie Zukunft zu haben.

Neben dem Nachwuchs kann Kovac aber auch auf gestandenes Personal wie Volland, Ben Yedder oder Cesc Fabregas zurückgreifen, die allesamt zu den Topverdienern am sonnigen Standort zählen. Am Geld hat es beim vom russischen Oligarchen Dmitri Rybolowlew fürstlich versorgten Verein ohnehin nie gefehlt. Und Niko Kovac sammelt gerade Argumente für sich, dass er eine mit entsprechenden Finanzmitteln verstärkte Mannschaft vielleicht noch ein bisschen weiter nach oben führen kann.

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