Süddeutsche Zeitung

Andreas Brehme in Mailand:Nostalgie um "il biondo"

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Andy Brehme ist auch südlich der Alpen verehrt worden, dort strahlte er noch heller, geradezu makellos. Jene Erfolge, die er mit Matthäus und Klinsmann in Mailand feierte, waren eine Ouvertüre zur WM 1990 - und für Generationen unvergesslich.

Von Thomas Hürner

Wer sich dem Fußballer Andreas Brehme nähern will und dafür sogar Landesgrenzen überschreitet, wird merken: Es gab mindestens zwei Andreas Brehmes. Da war der bundesrepublikanische Andy Brehme, Urheber des Elfmeterschusses, der Deutschland 1990 zum Weltmeister machte und angeblich sogar mithalf, das gerade wiedervereinigte Deutschland auch emotional ein bisschen näher zusammenzubringen. Der bundesrepublikanische Andy Brehme hat sich danach aber auch ein paar Fehlversuche geleistet. Einige betrafen seine Karriere nach der Fußballerkarriere, andere eher missglückte Wortmeldungen, die nicht mal viel mit Fußball zu tun haben mussten.

Südlich der Alpen existiert allerdings ein Andreas Brehme, der noch ein wenig strahlender aussieht als die deutsche Version. Man könnte sagen: geradezu makellos. Leitmedien, ehemalige Teamkollegen, frühere Rivalen - gefühlt sang ganz Italien eine Eloge auf den am Dienstag überraschend gestorbenen Brehme, auf "il biondo", den Blonden. Heldenverehrung haben sie halt drauf in diesem Land, und dieser Fußballer hat sich nicht nur wegen seiner goldenen Mähne ins kollektive Gedächtnis gebrannt: Brehme war quasi der Initiator des "Inter dei tedeschi", des legendären Inter Mailand der Deutschen.

Brehme hat am "Scudetto dei record" mitgewirkt - an Inters Meisterschaft der Bestwerte

Ein ziemlich vereinnahmender Sammelbegriff, gerade für eine so stolze Fußballnation wie Italien, aber dieses Team ist Nostalgie für ganze Generationen: 1988 wechselte Brehme vom FC Bayern zu Inter; seine Ankunft wurde allerdings überstrahlt von der nahezu gleichzeitigen Verpflichtung seines Kumpels Lothar Matthäus, der alles absorbierte. Ein Jahr später folgte dann Jürgen Klinsmann. Der damalige Inter-Coach Giovanni Trapattoni wollte das Duo Matthäus/Brehme unbedingt haben, und der Mailänder Präsident Ernesto Pellegrini, ein willfähriger Geschäftsmann, erfüllte ihm diesen Wunsch. Inter, das war in diesen Jahren weiter ein großer Name, nur die ganz großen Erfolge waren da schon ein Weilchen her.

"Trap" formte ein Team, das nur so durch die Liga schwebte: 58 Punkte, 26 Siege in 34 Spielen, das waren die Rahmendaten des "Scudetto dei record", des Meisterabzeichens der Rekorde. In Zeiten, in denen ein Sieg noch zwei Punkte wert war, war nie davor und nie danach eine Mannschaft besser. Die bis heute anhaltende Popularität dieser Gruppe liegt aber auch an ihrer Zusammensetzung, an der speziellen Zeit.

Inter triumphierte in der damals führenden Spielklasse der Welt, gegen Maradonas Neapel, gegen den Stadtrivalen AC Milan mit den großen Niederländern Ruud Gullit, Frank Rijkaard und Marco van Basten. Die Deutschen ergänzten bei Inter einen italienischen Kern, darunter Namen wie Walter Zenga, Giuseppe Bergomi und Nicola Berti - dieses Team war gewissermaßen die Ouvertüre für die WM 1990 in Italien, bei der Brehme seinen Elfmeter im Finale gegen Argentinien versenkte und dabei wusste, dass nicht nur deutsche Fans, sondern auch die italienischen Tifosi in diesem Moment den Atem anhielten. Die DFB-Elf, das hat Brehme immer wieder betont, wurde auch durch diese Unterstützung durchs Turnier getragen.

Brehme war bis zuletzt ein gern gesehener Gast im Mailänder San Siro

Vier Jahre spielte Brehme für Inter; in dieser Zeit wurde er außerdem 1989 Fußballer des Jahres und 1991 Uefa-Cup-Sieger. Wie ein deutscher Tourist sei er ins Land geraten, schrieb der Corriere della Sera, mit blondem Vokuhila und unbeschwertem Gemüt. Dieses Bild hielt sich: Die Italiener tun sich leichter mit ihren Sportgrößen; an ihnen zog allerdings auch vorüber, dass Brehme in Deutschland gegen einen Obolus Geburtstagsglückwünsche versendete und auf einem dieser Videos jüngst seine halbnackte Freundin durchs Bild lief.

Die Italiener kennen nur den großen Fußballer, der noch dazu sehr charmant klang, wenn er Italienisch sprach. Brehme wusste das: Keine Einladung ins Mailänder San-Siro-Stadion schlug er aus, Ovationen waren ihm dort gewiss. Und wer ihn mal traf, merkte schnell, dass sich die Episode in Italien wie eine lange Linie durch sein Leben zog: Anerkennung ist viel wert, wenn man sie sich vorbehaltlos abholen kann.

"Er spielte altruistisch, das war auch sein Charakter", sagte sein einstiger Teamkollege Aldo Serena nach Brehmes Tod: "Er war ein einfacher Mann mit einem einfachen Leben, der zum Champion wurde." Am Tag seines Todes gewann Inter 1:0 in der Champions League gegen Atlético Madrid; die Mailänder spielten mit Trauerflor am Arm, vor Anpfiff gab es eine Trauerminute. Auch das eine oder andere Tränchen wurde im Publikum gesichtet.

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