Süddeutsche Zeitung

Afrika-Cup:Sébastien Haller auf der Suche nach dem alten Glück

Lesezeit: 3 Min.

Dank des einzigen Treffers durch den BVB-Spieler steht die Elfenbeinküste im Finale des Afrika-Cups gegen Nigeria. Die ivorische Geschichte bei diesem Turnier gleicht einem wilden Ritt - und ist für Haller dennoch wie ein Kuraufenthalt.

Von Ulrich Hartmann

Nach dem Abpfiff tanzten die Männer in Orange über das Spielfeld. Auf den Rängen jubelten 60 000 Menschen mit. Auch Sébastien Haller hätte tanzen können, er hatte den goldenen Treffer in diesem Fußballspiel erzielt. Doch Haller tanzte nicht. Er schlenderte und schien zu grübeln. Er trug das orange Nationaltrikot unter einem gelb-schwarzen Leibchen, weil er kurz zuvor ausgewechselt worden war. Drunter Elfenbeinküste, drüber Borussia Dortmund - das sind seine aktuellen Dienstkleidungen. Während Haller in Gelb-Schwarz zuletzt wenig Freude verspürte, avancierte er in Orange zum Helden.

Mit dem Tor zum 1:0-Halbfinalsieg gegen die Demokratische Republik Kongo hat Haller in der ivorischen Hafenstadt Abidjan die Elfenbeinküste ins Endspiel des Afrika-Cups geschossen. Dort treffen die Turniergastgeber am Sonntagabend auf Nigeria. Für Haller wäre dieser Titel mehr als tröstlich. Vor acht Monaten hat er mit Dortmund am finalen Bundesliga-Spieltag den Meistertitel verpasst. Statt des erforderlichen Sieges gab es daheim gegen Mainz nur ein 2:2. Haller verschoss einen Elfmeter.

Der in Frankreich geborene Sohn eines Franzosen und einer Ivorerin spielt seit Sommer 2022 für den BVB. Nach gerade mal zwei Wochen dort wurde bei ihm Hodenkrebs diagnostiziert. Erst im Januar 2023 nach erfolgreicher Chemotherapie bestritt Haller sein erstes Pflichtspiel. In seither 36 meist zeitlich limitierten Einsätzen schoss er zwar elf Tore, er schien in dieser Mannschaft aber nie richtig angekommen zu sein. Im Sommer wird er den BVB womöglich wieder verlassen.

Dortmund spielt diesen Freitag gegen Freiburg, Hallers Fehlen wird kaum auffallen

Der Fußballer Haller ist auf der Suche nach dem alten Glück. Er war Pokalsieger mit Eintracht Frankfurt, Meister mit Ajax Amsterdam, Torschützenkönig in den Niederlanden. In Dortmund hat er das Glück bislang nicht gefunden, und auch dieses Tor, das die Elfenbeinküste ins Endspiel brachte, ist zunächst nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Als Haller nach Afrika flog, plagte ihn eine Knöchelverletzung. Er konnte die ersten drei Turnierspiele gar nicht mitmachen. Erst im Achtelfinale spielte er 48 Minuten. Im Viertelfinale waren es 74 Minuten, im Halbfinale dann 89 Minuten - plus Siegtor. Es geht aufwärts. Sollte sein Team Afrika-Meister werden, sähe man ihn vielleicht sogar lächeln.

Borussia Dortmund spielt an diesem Freitag gegen den SC Freiburg, Hallers Fehlen wird wahrschenlich kaum auffallen. Er ist hinter Niclas Füllkrug und Youssoufa Moukoko nur noch Mittelstürmer Nummer drei. Den Erfolg in Afrika gönnen sie ihm bei der Borussia umso mehr. Sie wissen: Ein Torjäger ist erst dann wieder glücklich, wenn er viel spielen und Tore schießen kann. Insofern ist das Turnier mit dem Team der Elfenbeinküste für Haller auch eine Art Kuraufenthalt.

Dabei ist die ivorische Geschichte bei diesem Turnier ein wilder Ritt. Mit dem Ziel angetreten, als Gastgeber den Triumph von 2015 zu wiederholen, verlor das Team zwei von drei Gruppenspielen und stand mit nur einem Sieg vor dem frühen Aus. Der Verband entließ über Nacht den Nationaltrainer Jean-Louis Gasset, noch bevor sich herausstellte, dass die Mannschaft als viertbester Gruppendritter doch noch ins Achtelfinale einziehen durfte. Unter Gassets Assistenten Emerse Faé spielte sie fortan zwar nicht viel besser, zeigte aber eine phänomenale Nervenstärke. Im Achtelfinale gegen Senegal glich sie vier Minuten vor Schluss zum 1:1 aus und gewann das Elfmeterschießen. Im Viertelfinale gegen Mali gelang in der 90. Minute noch der Anschluss zum 1:1 und in der Nachspielzeit der Verlängerung gar der Siegtreffer.

Ein Finale zwischen Elfenbeinküste und Nigeria ist nun nicht überraschend bei einem Afrika-Cup, bei dem die meisten Titelkandidaten nicht mal das Viertelfinale erreicht haben. Weder die derzeit fünf besten afrikanischen Nationen in der Weltrangliste (Marokko, Senegal, Tunesien, Algerien, Ägypten) noch die jüngsten drei Afrika-Cup-Sieger (2022 Senegal, 2019 Algerien, 2017 Kamerun) schafften es unter die besten Acht. Viele Profis aus der Bundesliga kehrten folglich früher als erwartet zu ihren Klubs zurück. Die letzten, die jetzt noch an der Elfenbeinküste bleiben, sind Sébastien Haller sowie Leverkusens Innenverteidiger Odilon Kossounou. Er war im Halbfinale gelb-rot gesperrt, im Endspiel darf er wieder spielen. Seinem Klub fehlt er ein letztes Mal - im Bundesliga-Spitzenspiel am Samstag gegen Bayern München.

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