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Wahlen in Thailand:Ein Ex-Putschist tritt gegen die Shinawatra-Dynastie an

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In Thailand wurde das Parlament aufgelöst, spätestens im Mai wird neu gewählt. Die Kandidaten dürften den Bürgern sehr bekannt vorkommen.

Von David Pfeifer, Bangkok

Geschichte wiederholt sich, auch in Thailand. Am Montag wurde das Parlament aufgelöst und in der Royal Gazette ein Erlass veröffentlicht: "Dies ist eine rasche Rückgabe der politischen Entscheidungsgewalt an das Volk, um die demokratische Regierung mit dem König als Staatsoberhaupt fortzusetzen", heißt es darin.

Der Erlass wurde von Premierminister Prayut Chan-o-cha unterzeichnet und trat sofort in Kraft. Es muss nun innerhalb der nächsten 45 bis 60 Tage neu gewählt werden, und so wie es aussieht, werden die Protagonisten der Wahlen, die vermutlich am 14. Mai stattfinden, den meisten Thailänderinnen und Thailändern bekannt vorkommen.

"Ich danke Ihnen allen, insbesondere dem Parlament, für die Zusammenarbeit in den vergangenen vier Jahren. Manchmal hatten wir Erfolg, manchmal aber auch nicht. Aber ich muss Ihnen trotzdem danken, denn Sie alle arbeiten für die Interessen des Landes", so formulierte es Premierminister Prayut, der bis zur Wahl als "Caretaker PM" im Amt bleibt, in seiner ihm eigenen Art laut Bangkok Post. Auf die Frage, was er bisher von der Politik gelernt habe, sagte er: "Es ist unbestreitbar, dass ich jetzt auch ein Politiker bin."

Seit dem ersten Staatsstreich 1932 hat das Land zwölf Militärcoups erlebt

Vor allem aber ist General Prayut Chan-o-cha, 69, durch einen Putsch an die Macht gekommen. Er hatte 2014 die gewählte Premierministerin Yingluck Shinawatra, 55, aus dem Amt gejagt und wurde erst 2019 in einer halbdemokratischen Wahl bestätigt. Thailand wird von der renommierten Beratungsfirma Economist Intelligence Unit als "mangelhafte Demokratie" eingestuft. Seit dem ersten Staatsstreich im Jahr 1932 hat das Land zwölf Militärcoups erlebt, das parlamentarische System ist stark zugunsten des thailändischen Militärs verzerrt.

Schon im Dezember hatte Prayut seine erneute Kandidatur für die nächste Wahl angekündigt, allerdings für eine andere Partei. Antreten will auch sein alter Waffenbruder, General Prawit Wongsuwan, 77, für die Regierungspartei.

Doch in den Meinungsumfragen führt derzeit die 36-jährige Paetongtarn Shinawatra, die Nichte der ehemaligen Premierministerin Yingluck Shinawatra, mit 38,2 Prozent. Demnach würden zudem 50 Prozent der Befragten ihre Partei "Pheu Thai" wählen.

Auch ihr Vater Thaksin Shinawatra, 73, war bis 2006 Premierminister Thailands, bevor er vom Militär aus dem Amt und dem Land verjagt wurde, obwohl er, wie seine Schwester Yingluck, die Wirtschaft in der zweitgrößten südostasiatischen Volkswirtschaft angekurbelt hatte, auch mit dringend notwendigen Investments in Infrastruktur.

Seine Gegner werfen ihm jedoch vor, Geschäftsfreunde bereichert und die armen Bevölkerungsschichten mit einer verschwenderischen, populistischen Politik, den sogenannten "Thaksinomics", geblendet zu haben. Beide schwerreichen Shinawatras leben im Exil, um Gefängnisstrafen zu entgehen - von denen ihre Verbündeten sagen, dass sie ihre politischen Comebacks verhindern sollten.

Die Wahlen sind auch für die 1,5 Millionen Migranten aus Myanmar von Bedeutung

"Wir haben es geschafft, im ersten Jahr alles in Ordnung zu bringen, aber vier Jahre später wurden wir durch einen Putsch gestürzt", sagte Paetongtarn Shinawatra der Nachrichtenagentur Reuters in ihrem ersten offiziellen Interview mit ausländischen Medien vor der Wahl. "Es gibt also Dinge, die wir nicht erreicht haben." Auf die Frage, ob ihre Gegner versuchen könnten, ihre Partei an der Regierung zu hindern, antwortete sie: "Natürlich, natürlich."

Die Wahlen sind nicht nur für 70 Millionen Thailänder bedeutend, sondern auch für die mehr als 1,5 Millionen Flüchtlinge und Migranten aus Myanmar, die im Nachbarland leben und hoffen, dass eine neue Regierung die Unterstützung für das deutlich brutalere Militärregime in ihrer Heimat beenden könnte.

Die thailändische Regierung gehört zu den wenigen, die weiterhin enge diplomatische Beziehungen zur Junta in Myanmar unterhält. Auch die Generäle in Myanmar wollen in diesem Jahr noch Wahlen abhalten, um ihre Herrschaft in eine Kulissendemokratie umzuwandeln.

Doch selbst wenn Paetongtarn Shinawatra und ihre Pheu Thai im Mai gut abschneiden, wird sie nicht unbedingt Premierministerin werden können. Thailands 250 Senatoren, die vom Militär ernannt wurden, stimmen gemeinsam mit dem 500 Mitglieder zählenden Repräsentantenhaus über den Premierminister ab. Paetongtarn Shinawatra müsste also eine absolut überwältigende Mehrheit erringen, wahrscheinlicher ist, dass sie mit einer der etablierten Parteien zusammenarbeiten muss.

Und selbst wenn die beiden wichtigsten prodemokratischen Parteien - neben der Pheu Thai noch die Move Forward - mehr als 75 Prozent erringen könnten, um die Militärsitze auszugleichen und eine wirklich unabhängige Regierung zu bilden, würde womöglich bald wieder geputscht werden.

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