Süddeutsche Zeitung

Schuldenstreit mit Griechenland:Die alten Freunde sind genervt

Lesezeit: 2 min

Von Claus Hulverscheidt, New York

Den größten Coup seiner kurzen Politikerlaufbahn landete Yanis Varoufakis am 16. April 2015. An dem Tag ließ der damalige griechische Finanzminister triumphierend verkünden, er habe sich am Rande der Frühjahrstagung von Internationalem Währungsfonds und Weltbank mit US-Präsident Barack Obama getroffen. Seht her, so Varoufakis' Botschaft an seine in Washington versammelten europäischen Kollegen: Wenn ihr mich links liegen lasst, dann spreche ich halt mit den wirklich Wichtigen der Welt.

Für ein, zwei Stunden waren Wolfgang Schäuble & Co. tatsächlich konsterniert, denn alles sah nach einem gezielten Affront der Amerikaner aus. Dann allerdings stellte sich heraus, dass die Sache mit der Zusammenkunft ganz so nicht gewesen war. Vielmehr waren sich Obama und Varoufakis bei einem Empfang begegnet und hatten zehn, fünfzehn Minuten miteinander geplaudert - eher Smalltalk also als Polit-Intrige. Und doch: Dass sich der Präsident auf das Gespräch mit dem rangniedrigeren Minister überhaupt einließ, war sehr wohl als gezielte Mahnung der USA an die Europäer zu verstehen.

Kann den Amerikanern die Angelegenheit nicht egal sein?

Am Sonntag, unmittelbar vor dem Euro-Gipfel in Brüssel, suchten die Amerikaner dann wieder den Kontakt zu den Griechen: US-Finanzminister Jacob Lew meldete sich beim Athener Ministerpräsidenten Alexis Tsipras. Und der, dankbar für die Unterstützung, versicherte dem Anrufer aus Washington, dass eine Lösung möglich sei, wenn nur alle dies wollten.

Streng genommen könnte den Amerikanern die ganze Angelegenheit herzlich egal sein. Die US-Banken haben gerade mal gut zehn Milliarden Euro in Griechenland investiert, der bilaterale Handel zwischen beiden Ländern ist kaum der Rede wert. Ein Staatsbankrott würde die US-Wirtschaft also direkt kaum treffen. Etwas schwieriger zu kalkulieren wären die indirekten Folgen. So könnte eine Staatspleite zu Verwerfungen auf den Finanzmärkten führen, die auch in den USA zu spüren wären.

Denkbar wäre etwa eine Flucht der Anleger aus dem Euro, die den Kurs des ohnehin starken Dollars weiter nach oben treibt und der amerikanischen Exportindustrie das Geschäft erschwert. Die Frage, wie groß solche "Spillover"-Effekte wären, spielte auch bei der jüngsten Sitzung des US-Zentralbankrats eine Rolle. Insgesamt gesehen aber hält auch die amerikanische Notenbank Fed die Risiken einer Griechenland-Pleite für die USA für überschaubar.

Was die US-Regierung an dem nicht enden wollenden Gezerre um Griechenland indes am meisten stört, ist, platt gesagt, der "Nerv-Faktor": Aus Sicht der Amerikaner ist die ohnehin fehlkonstruierte Euro-Zone seit nunmehr fünfeinhalb Jahren ein ständiger Gefahrenherd für die Welt- und damit auch die US-Konjunktur.

Außerdem hält die Krise die Europäer nach dem Dafürhalten der Amerikaner seit Jahren davon ab, sich um die wichtigen Dinge auf der Welt zu kümmern: um die Konflikte in Syrien und der Ukraine, den Streit um Irans Atomprogramm, das Säbelrasseln Russlands. Und schließlich befürchtet Washington, ein Ausscheiden Griechenlands aus der Währungsunion und eine mögliche Hinwendung Athens gen Moskau könne die Ostflanke der Nato schwächen.

Und noch ein Punkt treibt die Amerikaner um: Sie haben wenig Verständnis dafür, dass sich gerade die Deutschen aufführen wie die Schulmeister. Schließlich war es 1953 ausgerechnet das Volk der Mörder und Kriegstreiber gewesen, das auf der Londoner Konferenz in den Genuss eines umfassenden Schuldenerlasses kam, ohne den das deutsche Wirtschaftswunder kaum möglich gewesen wäre. Auch Griechenland, das unter dem Nazi-Terror heftig zu leiden gehabt hatte, stimmte damals zu. Auch vor diesem historischen Hintergrund hat Obama Kanzlerin Angela Merkel immer wieder zu einem Kompromiss mit Athen gedrängt - zuletzt erst vor wenigen Tagen.

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Quelle:
SZ vom 13.07.2015
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