Süddeutsche Zeitung

G 7 und die Ukraine:Biden verhängt neue Sanktionen

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Die westlichen Industrienationen unterstützen am Gedenktag der Weltkriegs-Kapitulation symbolisch den ukrainischen Präsidenten Selenskij. Dessen Frau erhält prominenten Besuch.

Von Stefan Kornelius, München

Rechtzeitig zum Jahrestag des Weltkriegsgedenkens haben auch die US-Regierung und die mit ihr verbündeten Staaten in der Gruppe der wichtigsten Industrienationen (G 7) ein neues Signal der Entschlossenheit gegenüber Russland ausgesandt. Das Weiße Haus in Washington kündigte am Sonntag neue Sanktionen an, unter anderem gegen Manager russischer Banken, die bisher noch nicht von Sperrungen getroffen waren. Außerdem reiste die Ehefrau des Präsidenten, Jill Biden, zu einem symbolischen Kurzbesuch in die Ukraine und besuchte in der Stadt Uschhorod eine Schule.

Wie von der Bundesregierung bereits am Freitag angekündigt, schlossen sich die G-7-Staaten in einem Telefonat mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij zusammen. Das telefonische Treffen sollte einen Gegenpunkt setzen zu den Feierlichkeiten, die Russlands Präsident Wladimir Putin am Montag zum Gedenken an die Kapitulation Deutschlands und das Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa veranstaltet. In den USA und in Westeuropa wird traditionell am 8. Mai der Kapitulation gedacht.

Die US-Regierung war sichtlich bemüht, dem mit Spannung erwarteten Auftritt Putins auf dem Roten Platz eine Botschaft entgegenzusetzen. In den USA wurde das Telefonat der G-7 als Initiative des US-Präsidenten verkauft, was auch als Affront gegen Deutschland als amtierenden Vorsitzenden der Organisation der führenden Wirtschaftsnationen interpretiert werden konnte. Allerdings sind die USA als kriegsentscheidende Nation im Zweiten Weltkrieg darauf bedacht, die Erinnerung an diesen Tag nicht allein Russland zu überlassen.

Das Weiße Haus kündigte an, nun auch die staatlich kontrollierten Medien Russlands mit Sanktionen zu belegen. Im Fokus stehen ausländische Investoren, Werbekunden und Firmen, die den Propagandabetrieb auch durch technische Hilfe möglich machen. Außerdem wird US-Bürgern die Beratung von russischen Finanzdienstleistern untersagt. Das Verbot von Exportgütern für die produzierende Industrie, vor allem für das Holzgewerbe, Maschinenbau, Ventilatoren und viele mehr, wird ausgeweitet. Schließlich will die US-Regierung unmittelbar ihre Visumsrestriktionen ausdehnen und hat acht Manager der Sberbank und 27 der Gazprom-Bank auf die Sanktionsliste gesetzt. Damit ist erstmals auch die für die Abwicklung des Energiegeschäfts wichtige Gazprom-Bank von den Sanktionen betroffen.

Jill Biden besichtigt eine Schule im ukrainischen Uschhorod

Von deutlich größerer Wirkung dürfte der Besuch Jill Bidens, der Ehefrau von Präsident Joe Biden, in der Ukraine sein. Jill Biden überquerte die Grenze in Kriegsgebiet von der Slowakei aus und besuchte in der grenznahen Stadt Uschhorod eine Schule. Dabei wurde sie von Selenskijs Frau Olena begleitet. Diese sagte: "Wir wissen, was es für die First Lady der USA bedeutet, während des Krieges hierherzukommen."

Die US-Regierung hat schon seit einiger Zeit ihre Zurückhaltung aufgegeben, die Präsident Joe Biden lange vor dem Krieg zur obersten Maxime erklärt hatte: keine Verwicklung, keine Entsendung eigener Soldaten oder jener der Nato-Verbündeten. Jetzt ist Washington der mit Abstand stärkste Unterstützer der Ukraine, sowohl bei den Finanzhilfen als auch bei der Lieferung von Waffen.

Eine Zeitungsartikel verärgert den Präsidenten

Zuletzt war bekannt geworden, dass die Ukraine mit Hilfe von US-Aufklärungsdaten offenbar zum gezielten Angriff auf russische Generale ansetzen konnte. Anonyme Quellen in der US-Regierung bestätigten entsprechende Hinweise der New York Times. Die Information ist brisant, weil die Regierung Biden alles unternimmt, um eine direkte Beteiligung im Krieg auszuschließen und Russland keinen Vorwand für eine Ausdehnung der Kämpfe auch auf Nato-Territorium zu geben. Biden soll Medienberichten zufolge zornig auf die Veröffentlichung reagiert haben.

Gleichzeitig setzen die USA ihre Informationsoffensive über den desolaten Zustand der Streitkräfte und der Rüstungsindustrie Russlands fort. So sollen nach Informationen aus dem Weißen Haus die beiden wichtigsten Panzerfabriken in Russland im Ural und in Tscheljabinsk ihre Produktion aus Mangel an Bauteilen eingestellt haben. Etwa 1000 Firmen aus dem Privatsektor und 200 000 zum Großteil gut ausgebildete Fachkräfte hätten das Land verlassen. Wie schon zu Beginn des Krieges verfolgen die USA eine offensive Informationspolitik, um Russlands Absichten offenzulegen.

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