Süddeutsche Zeitung

Syrien-Krieg:Türkei verschärft Not der Flüchtlinge

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Von Moritz Baumstieger, Matthias Kolb, Zagreb, und Frank Nienhuysen

Russland und die Türkei haben sich auf eine Waffenruhe in Syrien geeinigt und wollen so nach Wochen der Eskalation den Konflikt in Idlib entschärfen. Bei einem fast sechsstündigen Treffen in Moskau einigten sich Kremlchef Wladimir Putin und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan auf ein Abkommen, das zudem einen zwölf Kilometer breiten Sicherheitskorridor vorsieht. Dieser soll entlang der strategisch wichtigen Straße M4 verlaufen und vom 15. März an mit gemeinsamen russisch-türkischen Patrouillen gesichert werden. Der Waffenstillstand sollte in der Nacht auf Freitag beginnen. Putin sagte, er hoffe, die Vereinbarung werde das Leid der Zivilisten beenden. Die Lage in der letzten Rebellenhochburg Idlib hatte sich in den vergangenen Wochen extrem verschärft. Hunderttausende Menschen flüchteten vor den Kämpfen in Richtung türkischer Grenze. Das syrische Regime von Baschar al-Assad versucht mit Hilfe des russischen Militärs die Stadt im Nordwesten des Landes zu erobern und so die Kontrolle über ganz Syrien zurückzugewinnen. Das ist auch das Ziel Moskaus. Dabei konnte nur mühsam eine direkte militärische Konfrontation zwischen Russland und dem Nato-Mitglied Türkei abgewendet werden. Russland steht fest an der Seite Assads und rechtfertigte die Luftangriffe in Idlib als Kampf gegen Terroristen.

Zuletzt setzte Moskau ein Zeichen, als russische Militärpolizei sich in der strategisch wichtigen Stadt Sarakeb postierte und so auch die von der Türkei unterstützten Rebellen von Angriffen abhielt. Ankara hatte jüngst Tausende Soldaten nach Idlib geschickt, um die Aufständischen zu unterstützen. Die Lage hatte sich vor einer Woche noch einmal verschärft, als bei einem Luftangriff 36 türkische Soldaten getötet wurden. "Solche Vorfälle müssen verhindert werden", sagte Putin beim Treffen mit Erdoğan. An einer weiteren Verschärfung haben beide Seiten kein Interesse, da sie bei Gas- und Rüstungsgeschäften gemeinsame Interessen haben.

Putin und Erdoğan betonten am Donnerstag, dass sie das Verhältnis der beiden Staaten verbessern wollen. Erdoğan dürfte mit der Vereinbarung in Moskau auch darauf hoffen, dass sich die Lage der Flüchtlinge und der Druck auf die türkische Grenze entspannt. Ankara hatte seit dem Wochenende Flüchtlingen aus der Türkei die Weiterreise Richtung Europäische Union ermöglicht, worauf es zu chaotischen Zuständen an der griechischen Grenze kam. Tausende Menschen versammelten sich an der türkischen Westgrenze, immer wieder gibt es Auseinandersetzungen mit griechischen Beamten, die Tränengas und Blendgranaten abfeuern. Die Türkei will nun mit einem verstärkten Polizeiaufgebot die Rückführung von Flüchtlingen aus EU-Ländern erschweren. Bis zu 1000 Beamte, die teilweise Spezialeinheiten angehören, sollen vor allem an der Grenze zu Griechenland verhindern, dass aufgegriffene Migranten direkt wieder zurückgeschickt werden. Dazu will die Türkei auf dem Grenzfluss Evros auch Schlauchboote einsetzen, wie der türkische Innenminister Süleyman Soylu ankündigte.

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SZ vom 06.03.2020
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