Süddeutsche Zeitung

US-Truppenrückzug aus Syrien:"Mentalität , die den Weg für den 11. September ebnete"

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Wegen der türkischen Offensive auf kurdische Kämpfer in Nordsyrien steht US-Präsident Donald Trump in seiner eigenen Partei in der Kritik. Selbst Trump sonst treue Republikaner werfen dem Präsidenten außenpolitische Unklugheit vor, weil er mit einem US-Truppenrückzug der Türkei den Weg für den Einmarsch geebnet hat. Außerdem sieht der US-Präsident sich mit dem Vorwurf konfrontiert, die Kurden im Stich gelassen zu haben, die im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) einer der wichtigsten Verbündeten der US-Streitkräfte waren.

Senator Lindsey Graham - einer der engsten Vertrauten von Trump im Kongress und Republikaner wie er - kritisierte den Präsidenten mehrfach offen: "Dies ist die Mentalität vor dem 11. September, die den Weg für den 11. September ebnete: Was in Afghanistan passiert, geht uns nichts an. Wenn er damit weitermacht, ist dies der größte Fehler seiner Präsidentschaft", sagte Graham zuletzt dem Sender Fox News mit Blick auf die Angriffe von Islamisten in den USA mit vier gekaperten Flugzeugen im Jahr 2001.

Trumps Entscheidung werde "schlimme und vorhersehbare Folgen" haben, sagte auch Liz Cheney aus der Fraktionsführung der Republikaner im Repräsentantenhaus. "Die USA lassen unsere verbündeten Kurden im Stich, die vor Ort gegen den Islamischen Staat gekämpft und zum Schutz des US-Heimatlandes beigetragen haben." Diese Entscheidung helfe den Gegnern der USA - Russland, Iran und der Türkei - und ebne den Weg für ein Wiederaufleben des IS. Sie kündigte an: "Der Kongress muss und wird handeln, um die katastrophalen Auswirkungen dieser Entscheidung zu begrenzen."

Trump rechtfertigte den Rückzug der US-Truppen. Er habe immer deutlich gemacht, "dass ich diese endlosen, sinnlosen Kriege nicht kämpfen will - besonders jene, die den Vereinigten Staaten nicht nützen", sagte er am Mittwoch im Weißen Haus. Außerdem verteidigte er sich mit einer kruden historischen Analogie gegen den Vorwurf, die Kurden im Stich gelassen zu haben. Diese hätten ohnehin nur aus Eigeninteresse gegen den IS gekämpft und ein eigenes Territorium für sich gewollt. "Sie haben uns nicht im Zweiten Weltkrieg geholfen, sie haben uns nicht mit der Normandie geholfen."

Der US-Präsident drohte dem türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdoğan mit ökonomischen Konsequenzen, sollte dieser in Syrien nicht "so human wie möglich" vorgehen. Auf die Frage eines Reporters, ob er besorgt sei, dass Erdoğan die Kurden "auslöschen" könnte, antwortete Trump: "Wenn das passiert, werde ich seine Wirtschaft auslöschen."

Trump sagte außerdem, die USA hätten wegen des türkischen Einmarschs einige der gefährlichsten IS-Kämpfer in ihre Obhut genommen und "herausgebracht". Die Washington Post und die New York Times berichteten am Mittwochabend, das US-Militär habe mehrere IS-Kämpfer aus den Händen der Kurdenmilizen übernommen. Darunter seien die für ihre Brutalität berüchtigten Briten Alexanda Kotey und El Schafi Elscheich, die in den Irak gebracht werden sollten. Die beiden sollen an der Enthauptung von Geiseln beteiligt gewesen sein und zu einer IS-Zelle gehört haben, die wegen ihrer Herkunft und ihres britischen Akzents auch "The Beatles" genannt wurde.

US-Außenminister Mike Pompeo stellte sich in der Debatte um den Truppenrückzug hinter Trump. Er verteidigte den Schritt und sprach den US-Präsidenten von Verantwortung für die Offensive der Türkei frei. "Die Vereinigten Staaten haben der Türkei kein grünes Licht für eine Invasion in Syrien gegeben", sagte er dem Sender PBS. Er fügte hinzu, Ankara habe "berechtigte Sicherheitsbedenken" und Präsident Trump habe beschlossen, amerikanische Soldaten in Sicherheit zu bringen.

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