Süddeutsche Zeitung

Kosovo und Serbien:EU erreicht kleinen Durchbruch in der Kosovo-Frage

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Serbiens Präsident Vučić und Kosovos Premier Kurti einigen sich in Brüssel auf eine "Normalisierung" ihres Verhältnisses. Der Druck aus Berlin, Paris und Washington war groß.

Von Hubert Wetzel und Tobias Zick, München/Brüssel

Allein die Tatsache, dass die beiden Politiker sich gemeinsam an einen Tisch gesetzt hatten, konnte schon als Erfolg westlicher Diplomatie gelten. Aleksandar Vučić, der Präsident Serbiens, und Albin Kurti, der Premierminister des benachbarten Kosovo, haben in jüngster Zeit wenig Gelegenheiten ausgelassen, um ihr wechselseitiges Misstrauen zu bekunden und die Spannungen an der Grenze anzuheizen. Das Treffen in Brüssel, zu dem sie sich am Montag einfanden, war das Resultat eines langen und intensiven Drängens vor allem aus Berlin und Paris.

Und es hatte Erfolg - zumindest halbwegs. Die beiden Gäste gaben ihren Segen zu einem schriftlichen Vorschlag der Europäischen Union, wie die "Normalisierung" der Beziehungen zwischen Serbien und seiner ehemaligen Provinz Kosovo erreicht werden kann. Kosovo hatte sich 2008 nach einem Krieg für unabhängig erklärt, wird bis heute aber von Belgrad nicht als souveräner Staat anerkannt. Der Prozess der Annäherung, von der EU moderiert, war in den vergangenen Jahren immer wieder ins Stocken geraten - und hat jetzt, auch unter dem Eindruck des Ukraine-Kriegs, neuen Schub bekommen.

Die Regierungen Deutschlands und Frankreichs hatten ein Papier vorgelegt, das die Basis für die angestrebte Normalisierung bilden soll. Dieses war von den 25 anderen EU-Ländern abgesegnet worden. Unterstützung kam auch aus den USA, die darauf drängen, dass der Konflikt zwischen den beiden Staaten endlich beigelegt wird.

Wie der Außenbeauftragte der EU, Josep Borrell, am Montagabend nach seinem Treffen mit Vučić und Kurti sagte, haben beide Politiker zugestimmt, dass keine weiteren Gespräche über das EU-Dokument mehr notwendig seien - der Vorschlag könne damit veröffentlicht werden und als angenommen gelten. Borrell betonte jedoch, dass beide Seiten weitere Verhandlungen über die praktische Umsetzung der Maßnahmen zur Normalisierung für nötig erachteten. Es werde also noch mehr Reisediplomatie und weitere hochrangige Treffen geben, um bis Ende März einen Annex auszuhandeln, in dem die Implementierung geregelt ist. "Mehr Arbeit ist notwendig", so Borrell.

Die Anerkennung der Unabhängigkeit Kosovos ist das Haupthindernis

Unter anderem sieht das Dokument vor, dass Personen frei zwischen Serbien und Kosovo reisen dürfen, dass also beide Länder die Pässe und Kraftfahrzeugkennzeichen des jeweils anderen Landes anerkennen. Darüber hatte es in den vergangenen Monaten heftigen Streit gegeben. Auch Schul- und Ausbildungsabschlüsse sollen auf beiden Seiten der Grenze gültig sein, um das Leben der Menschen zu erleichtern. Zudem sollen bürokratische Hürden abgebaut werden, die den Wirtschaftsaustausch behindern.

Eine formale Anerkennung der Unabhängigkeit Kosovos durch Serbien bleibt allerdings ausgeklammert. Sie ist das Haupthindernis bei allen Vermittlungsversuchen zwischen den beiden Ländern. Auch fünf EU-Mitgliedstaaten - Rumänien, Griechenland, Spanien, die Slowakei und Zypern - verweigern bis heute der früheren serbischen Provinz Kosovo die Anerkennung als souveräner Staat.

Borrell sagte, der Vorschlag trage dazu bei, "dringend notwendiges Vertrauen" auf beiden Seiten zu schaffen. Unter anderem gebe es den Serben in Kosovo Sicherheit, dass ihr kulturelles Erbe und ihre religiösen Stätten geschützt seien. Ein wichtiger Fortschritt sei auch, dass beide Seiten zugesagt hätten, auf "unkoordinierte Aktionen" zu verzichten, die zu Spannungen oder Gewalt führen könnten.

Die Europäer hatten kurz vor dem Treffen noch einmal den Druck auf Serbien und Kosovo erhöht. Bundeskanzler Olaf Scholz, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sowie Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni schrieben in einem Brief an die Regierungen beider Länder, es sei jetzt "dringend nötig", die Normalisierung in die Praxis umzusetzen.

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