Süddeutsche Zeitung

Umweltstiftung Mecklenburg-Vorpommern:20 Millionen Euro geschenkt - aber wofür?

Lesezeit: 4 min

Die Landesregierung in Schwerin hat sich in Widersprüche über eine stattliche Spende für ihre Umweltstiftung verstrickt. Wofür war das Geld gedacht? Und musste es versteuert werden? Jetzt legt sich Ministerpräsidentin Schwesig fest.

Von Georg Ismar und Klaus Ott

Als die neue Stiftung endlich fix war, machte Manuela Schwesig ihrem Herzen richtig Luft. Anfangs gebe es "erst mal Kritiker, Nörgler und Leute", die das wieder alles nicht gut fänden. Die Stiftung Klima- und Umweltschutz MV werde aber einiges voranbringen und erfolgreich sein, prophezeite die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern bei einer Landtagsdebatte am 7. Januar 2021. Im Sitzungsprotokoll ist an dieser Stelle Beifall der SPD vermerkt.

Inzwischen ist das große Vorhaben, bei dem es vor allem um die Gas-Pipeline Nord Stream 2 ging, zum Desaster geraten. Neuerdings verstricken sich die rot-rote Landesregierung und wichtige SPD-Protagonisten derart in Widersprüche, dass Schwesig in Bedrängnis gerät. Nicht unbedingt wegen des Stiftungszwecks, der vor allem lautete, Nord Stream 2 trotz der US-Sanktionen fertig zu bauen und russisches Gas nach Deutschland zu bringen. Sondern vor allem wegen des steuerlichen Umgang mit der Stiftung, die nach Schwesigs Willen wegen der russischen Invasion in der Ukraine eigentlich längst abgewickelt sein sollen.

Schwesig hatte sich im Herbst 2020 mehrmals mit Vertretern von Nord Stream 2 getroffen, einer Tochtergesellschaft des russischen Energiekonzerns Gazprom. In einer Übersicht der Landesregierung sind drei Termine vermerkt. Mit dabei jeweils: Heiko Geue, damals Chef von Schwesigs Staatskanzlei, heute Finanzminister. Bei einem der drei Termine informierte Nord-Stream-2-Chef Matthias Warnig die Ministerpräsidentin über die Bereitschaft seines Unternehmens, beim Aufbau der Stiftung erst einmal 20 Millionen Euro und "später dann eine dauerhaft jährliche Unterstützung für den Klimaschutz bereitzustellen". Das hat die Staatskanzlei auf Anfrage der Süddeutschen Zeitung mitgeteilt.

Geld fürs Gemeinwohl - oder für die Pipeline?

Bedeutsam ist diese Information deshalb, weil die von Schwesigs Amtsvorgänger Erwin Sellering geleitete Stiftung heute auf diesen Termin verweist: Schon damals sei klar gewesen, dass die 20 Millionen Euro allein dem Gemeinwohlzweck der Stiftung dienten, dem Klima- und Umweltschutz. Für den anderen Zweck der Stiftung, die Fertigstellung von Nord Stream 2, sei das Geld nicht gedacht gewesen.

Was aus Sellerings Sicht damals offensichtlich war und bis heute nicht widerlegt ist, ist nach heutiger Sicht des Fiskus in Mecklenburg-Vorpommern gar nicht so sicher. Die Steuerbehörden haben deshalb mit Blick auf die 20-Millionen-Spende einen Schenkungsteuerbescheid über 9,8 Millionen Euro erlassen. Gegen diesen Bescheid wehrt sich die Stiftung bei dem in Greifswald ansässigen Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern; unter anderem mit Hinweis auf Schwesigs Gespräch mit Warnig.

Der Widerspruch ist mit den Händen zu greifen: Damals feierten sich die Landesregierung und die SPD dafür, dass Nord Stream 2 für Gemeinwohlzwecke der Klimastiftung so viel Geld gebe. Heute bezweifelt der Fiskus exakt dieses Gemeinwohlziel - und zwar, nachdem sich das von Geue geleitete Finanzministerium in den Prüfungsvorgang eingeschaltet und Bedenken gegen die ursprüngliche Absicht des zuständigen Finanzamts in der Kleinstadt Ribnitz-Damgarten geäußert hatte, von einer Schenkungsteuer abzusehen.

Hinzu kommt ein spannendes Detail, erkennbar aus dem Protokoll einer Landtagsdebatte vom 7. Januar 2021: Der SPD-Abgeordnete Jochen Schulte fand es ausgesprochen gut, dass die Nord Stream 2 AG sich mittelfristig mit 60 Millionen Euro bei der Stiftung engagieren wolle. Nicht einer Rendite wegen, sondern aus "gesellschaftspolitischer Verantwortung".

Das Argument der "gesellschaftspolitischen Verantwortung" lässt das Finanzamt Ribnitz-Damgarten, nachdem das Finanzministerium sich mit der Sache befasst hatte, im Schenkungsteuerbescheid vom 16. September 2022 aber nicht gelten: "Angesichts der Höhe der Zuwendungen von 20 Millionen Euro hätte die Nord Stream 2 AG gegenüber der Stiftung bereits zu den Stichtagen der Schenkungen klar den Zweck der Verwendung der Mittel kommunizieren müssen, dass diese ausschließlich den Zwecken des Landes dienen müssen." Eine nachträgliche schriftliche Bestätigung der Nord Stream 2 AG vom August 2022 sei zu spät gekommen.

Stellt sich die Frage, warum plötzlich nicht ausreicht, was die Nord Stream 2 AG in mehreren Gesprächen im November 2020 der Landesregierung versichert hatte, wie Schwesigs Staatskanzlei jetzt auf SZ-Anfrage bestätigte: "In den Gesprächen war immer klar, dass die Mittel von Nord Stream ausschließlich für Klima- und Umweltprojekte eingesetzt werden sollen." Die Frage ist auch deshalb interessant, weil damals neben Schwesig eben auch ihr Staatskanzleichef, der heutige Finanzminister Geue, mit am Tisch saß. Errichtet worden war die Stiftung ja vom Land Mecklenburg-Vorpommern. Heute verdächtigt die von Sellering geleitete Stiftung die Landesregierung, über den Umweg einer Schenkungsteuer der Stiftung so zusetzen zu wollen, dass diese nicht mehr weiterarbeiten könne. Die Regierung wiederum betrachtet die zuvor gefeierte Stiftung seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine als großes Übel, das wegmüsse.

Der Finanzminister will die Steuer erheben

Finanzminister Geue hält für die Verstrickung seine eigene Lesart bereit. Er räumt zwar ein, dass es vor Gründung der Stiftung die Zusage von Nord Stream 2 AG gegeben habe, 20 Millionen Euro für Umweltprojekte zu spenden. Es sei aber niemals eine entsprechende Vereinbarung unterzeichnet worden. Rein rechtlich betrachtet hätte die Stiftung deshalb das Geld auch für ihren anderen Zweck ausgeben können - nämlich die Pipeline fertigzustellen. Dass zunächst eine Steuerbefreiung erwogen worden sei, liege allein daran, "dass man im zuständigen Finanzamt zu Beginn davon ausgegangen sei, dass es eine unterschriebene Vereinbarung zwischen Stiftung und Nord Stream AG gebe". Das sei aber nicht der Fall, sagt Geue.

Im Januar 2020, als das Land die Stiftung auf den Weg brachte, hatten Regierung und SPD derlei Bedenken nicht. Im Gegenteil. Der SPD-Abgeordnete Schulte sagte im Landtag, nachdem Ministerpräsidentin Schwesig dort die Stiftungsidee vorgestellt hatte: "Wir können doch nur in die Hände klatschen", wenn sich ein Unternehmen bereiterkläre, 20 Millionen und in der Folgezeit noch mal 40 Millionen Euro in diese Stiftung zu geben - um Ziele zu verfolgen, die "nicht originär mit dem Unternehmensgegenstand" zu tun hätten. "Das sollte man dann auch mal anerkennen!"

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