Süddeutsche Zeitung

Russland:Wie Putin den Umweltschutz für sich entdeckt

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In Sibirien brennt der Wald, in Moskau spricht der Präsident über das Verpackungsproblem und unternehmerische Verantwortung. Beim Thema Klimawandel bleibt Putin aber vage - denn der Kreml sieht im wärmeren Wetter auch eine Chance.

Von Silke Bigalke, Moskau

Die Fotos aus Nowosibirsk erinnern an unscharfe Sepia-Aufnahmen. Kräne stehen als dunkle Schatten am Ufer des Ob, die Häuserzeilen dahinter verschwinden im Dunst. Die sibirische Millionenstadt ist in dieser Woche so eingeräuchert worden, dass die Behörden die Warnstufe "schwarzer Himmel" ausriefen.

Den Begriff kennt man sonst aus Krasnojarsk und anderen russischen Industriestädten mit hoher Smog-Belastung. In Nowosibirsk aber war es der Rauch von etwa einem Dutzend Bränden in der Nähe der Stadt, der den Menschen die Sicht nahm, ihnen das Atmen erschwerte, Kopf- und Halsschmerzen bereitete - und sie auf Regen hoffen ließ.

Die sibirische Waldbrandsaison beginnt wieder. Bereits vergangenes Jahr führte eine Hitzewelle dazu, dass größere Flächen als sonst abbrannten und noch mehr Kohlenstoffdioxid freigesetzt wurde als in früheren Jahren. Meteorologen warnen bereits, dass auch dieser Sommer überdurchschnittlich heiß und trocken wird.

Nicht immer sind Brände schlecht, sie helfen dem Wald, sich zu erneuern. Oft wüten sie auch weit abgelegen von jeder Siedlung, werden weder gelöscht noch für die Statistik gezählt. Doch das wärmere Wetter führt gerade in Sibirien zu immer mehr Problemen, die immer schwieriger zu ignorieren sind. Große verkohlte Flächen legen den sibirischen Permafrostboden frei, mehr Eis schmilzt schneller, dem Feuer folgen Überflutungen. In den vergangenen 25 Jahren haben sich Naturkatastrophen wie diese in Russland laut Wetterdienst verdoppelt.

Unternehmen sollen hinter sich sauber machen

Deswegen spricht auch Wladimir Putin nun immer häufiger über Umwelt und Klimafragen, in seiner Rede an die Nation verwendete er vergangene Woche auffällig viel Zeit darauf. Er sprach über Treibhausgasemission, das Verpackungsproblem, unternehmerische Verantwortung. "Wenn Sie davon profitiert haben, die Umwelt zu verschmutzen, machen Sie hinter sich sauber", sagte der Präsident. Eine populäre Forderung unter Wählern, denn lokale Mülldeponien und Luftverschmutzung sind immer wieder Anlass für Proteste.

Der Präsident wird auch die Umfragen kennen. Laut einer des Meinungsforschungsinstituts Lewada-Zentrum hielten 48 Prozent und damit die größte Gruppe der Befragten Umweltverschmutzungen für die gefährlichste aller globalen Bedrohungen. Erst danach kamen internationaler Terrorismus und Kriege. Der Klimawandel landete auf Platz vier, etwa ein Drittel hielt ihn für die größte Gefahr.

Es sind nicht nur Feuer und Fluten, auch Russlands teils morsche Industrie ist ein Risiko. Als vergangenes Jahr 21 000 Tonnen Diesel aus einem altersschwachen Tank nahe Norilsk flossen, sprach Greenpeace von einer der größten Ölkatastrophen, die es jemals in der Arktis gab. Putin rief den Notstand aus und befragte öffentlichkeitswirksam den Konzernchef von Nornickel zu dem Unglück. Der musste versprechen, für die Säuberungsarbeiten aufzukommen.

Beim Klimawandel ist Putins Haltung vager. Der Kreml sieht im wärmeren Wetter auch eine Chance, etwa für die Landwirtschaft und dort, wo das tauende Eis Seewege und Bodenschätze freigibt. Zu den Ursachen der Erwärmung äußert sich der Präsident ungern. Russlands Wirtschaft hängt stark von Erdöl und Erdgas ab. Es ist hauptsächlich diese Industrie, die das Land nach China, den USA und Indien zum viertgrößten CO2-Emittenten der Welt macht. In seiner ersten Amtszeit scherzte Putin noch, zwei, drei Grad mehr wären ganz gut, die Russen müssten dann weniger Pelzmäntel kaufen. Vor zwei Jahren meinte er, Windräder würden Vögel töten und Würmer vertreiben - "kein Witz". Noch vor einem Jahr erklärte Putin, niemand kenne die Ursachen des globalen Klimawandels.

Die Industrielobby hat Putins Gesetz verwässert

Vergangene Woche versprach der Präsident nun, dass Russlands CO2-Emmissionen innerhalb der kommenden 30 Jahre geringer sein sollen als die der Europäischen Union. Ein zweifelhaftes Versprechen, weil Russland mit seiner deutlich kleineren Wirtschaft und nur einem Drittel so vielen Einwohnern bereits heute weniger Schadstoffe ausstößt als die 27 Mitgliedsländer der EU zusammen. Auch Moskaus Ziel, Russland Emission bis 2030 um ein Drittel zu senken, ist eher ein symbolisches. Denn der Vergleichswert dafür stammt aus dem Jahr 1990. Erst danach, nach dem Ende der Sowjetunion, brachen große Teile der sowjetischen Schwerindustrie zusammen. Das allein reduzierte die Emissionen so deutlich, dass Russland sein 2030-Ziel bereits heute erreicht hat.

Alexej Kokorin, Klimaexperte beim WWF, ist trotzdem froh, dass Putin öffentlich neue Regeln für Unternehmen fordert. Ein Gesetz, das Emissionen in Russland reduzieren soll, ist bereits in erster Lesung durch die Staatsduma gegangen. Die mächtige Industrielobby hat es zuvor zwar deutlich verwässert, individuelle Quoten und ein Emissionshandelssystem verhindert. "Es ist das Minimum dessen, was wir brauchen, aber für Russland ist es besser als nichts", sagt Kokorin. Der Klimaexperte findet es wichtig, dass der Präsident persönlich auf das Problem aufmerksam macht.

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