Süddeutsche Zeitung

Chinesischer Präsident in Russland:Warum Xi Jinpings Besuch für Putin gerade besonders wertvoll ist

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Schon die Landung des chinesischen Präsidenten in Moskau wird propagandistisch gefeiert. Doch Chinas Unterstützung für Moskau scheint nicht "ohne Einschränkungen" zu sein.

Von Silke Bigalke, Moskau

Vor dem Abendessen gab es im Kreml warme Worte und Schmeicheleien für den wichtigsten Gast seit Kriegsbeginn: Wladimir Putin begrüßte seinen "lieben Freund" Xi Jinping in Moskau, gratulierte ihm zur "Wiederwahl". Der Präsident hatte sich gerade erst vom chinesischen Volkskongress im Amt bestätigen lassen, mit 100 Prozent der Stimmen - ein Ergebnis, von dem auch Putin nur träumen kann. Der schwärmte von der rasanten Entwicklung Chinas, um die er Xi "sogar ein wenig beneide". Danach gab es ein siebengängiges Menü mit Blinis und Ucha, russischer Fischsuppe, dazu heimischen Wein. Kein Detail ist unwichtig bei diesem Moskauer Treffen.

Der Besuch war seit Wochen absehbar, ist für Putin aber gerade jetzt besonders wertvoll. Der chinesische Präsident isst mit ihm zu Abend, nennt ihn seinen Freund, nur wenige Tage nachdem der Internationale Strafgerichtshof einen Haftbefehl gegen den Kremlherrscher ausgestellt hat. Peking hatte die Entscheidung aus Den Haag noch vor Xi Jinpings Landung kritisiert, dazu aufgerufen, die "Immunität von Staatschefs" unter internationalem Recht zu respektieren.

Das klang beinahe wie ein Gastgeschenk an Putin. Aus verschiedenen Gründen ist der heute mehr denn je auf Chinas Rückhalt angewiesen. Putin braucht Xi, um innerhalb und außerhalb Russlands zu zeigen, dass er weiterhin mächtige Freunde hat. Den chinesischen Besuch kann er zudem als stille Legitimation seiner "Spezialoperation" deuten, die Xi nie öffentlich kritisiert hat. Putin weiß, dass er seinen Krieg ohne Pekings Stillhalten nicht auf diese Weise weiterführen könnte. Vor allem aber ist sein Land seit Kriegsbeginn wirtschaftlich noch abhängiger von China geworden.

Xi Jinping wird wohl auch mit dem ukrainischen Präsidenten sprechen - am Telefon

Es ist also kein Treffen gleich starker Partner, auch wenn die russischen Staatsmedien es so darstellen möchten. Bereits die Landung wurde gefeiert: Als die Maschine von Xi Jinping am Flughafen Wnukowo aufsetzte, veröffentlichten russische Medien Fotos vom Flugzeug, vom ausgerollten Teppich, von wartenden Journalisten und der Militärkapelle, die zur Begrüßung spielte. Während des Abendessens am Montag wollten Putin und Xi unter sich bleiben, erst am Dienstag mit den Verhandlungen beginnen. Als Ergebnis sollen zwei gemeinsame Erklärungen unterschrieben werden: über eine verbesserte strategische Partnerschaft und über die wirtschaftliche Zusammenarbeit bis zum Jahr 2030.

Putin hat vor dem Treffen einen Artikel in der chinesischen Volkszeitung veröffentlicht, dem kommunistischen Parteiblatt, und darin von russisch-chinesischen Beziehungen "ohne Einschränkungen oder Tabus" geschrieben. Moskau schätze Chinas "ausgewogene Haltung" bezüglich der "Ereignisse in der Ukraine", schrieb Putin weiter.

Peking hatte im Februar einen Zwölf-Punkte-Plan zur Lösung des Konflikts veröffentlicht und Russland dabei mit keinem Wort dazu aufgefordert, seine Truppen aus der Ukraine zurückzuziehen. Stattdessen hatte es implizit vom Westen verlangt, die "Mentalität des Kalten Krieges" zu beenden, die "Sicherheitsinteressen aller Länder" ernst zu nehmen. Russland und China verbindet ihre Konkurrenz mit Washington und die Klage darüber, dass die USA ihre Länder angeblich unterdrücken möchten. "Wir haben Ihre Vorschläge zur Lösung der akuten Krise in der Ukraine aufmerksam gelesen", sagte Putin während der Begrüßung zu Xi, man werde diese Frage erörtern.

Doch es gibt Anzeichen dafür, dass Chinas Unterstützung für Moskau durchaus nicht "ohne Einschränkungen" ist. Beispielsweise wird erwartet, dass Xi nach seinem Besuch in Moskau auch mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij sprechen wird, am Telefon. Bisher gibt es zudem wenig Hinweise darauf, dass China Russland in größerem Umfang Waffen liefert, wie im Westen befürchtet wird. Peking habe derartige Pläne entschieden bestritten, sagte Kremlsprecher Dmitrij Peskow Ende Februar, "dem ist nichts hinzuzufügen". Das Nachrichtenportal Politico hat vergangene Woche über eine Lieferung von 1000 Sturmgewehren und anderer Ausrüstung an Russland berichtete und sich auf Zolldaten bezogen. Von schwereren Waffen war allerdings nicht die Rede.

Entscheidender dürfte für Putin die wirtschaftliche Zusammenarbeit sein. China kauft das russische Gas und Öl, das Europa ihm nun nicht mehr abnehmen will. Gleichzeitig erhofft sich Putin, China abkaufen zu können, was er im Westen wegen der Sanktionen nicht mehr bekommt, vor allem Hightech-Waren wie Microchips, ohne die weder Industrie noch Militär auskommen. Das Handelsvolumen zwischen den beiden Ländern hat sich im vergangenen Jahr um etwa ein Drittel erhöht, berichten russische Medien. Vor allem China profitiert von der ungleichen Beziehung, von Rabatten auf russisches Erdgas und davon, dass Russland immer mehr seiner Waren in Yuan handeln muss, weil es nur noch beschränkten Zugang zu Dollar und Euro hat.

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