Süddeutsche Zeitung

Pressekonferenz in Moskau:Pussy-Riot-Aktivistinnen wollen Chodorkowskij als Präsidenten

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"Ein von Angst getriebener Tschekist": Die beiden amnestierten Musikerinnen der Band Pussy Riot fordern, dass Wladimir Putin den Posten des russischen Präsidenten räumt. An dieser Stelle wünschen sie sich Michail Chodorkowskij. Sie selbst wollen sich für bessere Haftbedingungen einsetzen - allerdings nicht mehr unter dem Namen ihrer Band.

Die wichtigsten Ereignisse.

Kurz vor Weihnachten kamen die beiden Pussy-Riot-Musikerinnen Nadeschda Tolokonnikowa und Maria Aljochina im Zuge einer Massenamnestie aus dem Straflager frei. Unmittelbar danach ließen sie keinen Zweifel daran, dass sie ihren Protest gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin fortsetzen wollen. Nun äußern sie sich zu ihren Plänen für die Zukunft.

  • Pressekonferenz in Moskau: Nach ihrer Entlassung aus dem Straflager treten die beiden Pussy-Riot-Mitglieder Nadeschda Tolokonnikowa und Maria Aljochina in der russischen Hauptstadt vor die Presse.

Die erste Frage bezieht sich auf ihre Verurteilung: "Glaubt Ihr an Gott?". Aljochina antwortet: "Ich glaube an Gott." Tolokonnikowa: "Ich glaube an Schicksal." Die Aktivistinnen waren wegen eines Putin-kritischen Auftritts in einer Moskauer Kathedrale zu zwei Jahren Lagerhaft verurteilt worden, wegen Rowdytums aus religiösem Hass. Auch die zweite Frage, diesmal aus dem Publikum, ist provokant: Warum sind die Aktivistinnen nach ihrer Freilassung nicht gleich zu ihren Kindern gegangen? "Wir haben uns in Krasnojarsk getroffen, um über ein neues Projekt zu sprechen", sagt Tolokonnikowa. Beide Aktivistinnen wollen zukünftig mit Strafgefangenen arbeiten. Hart kritisieren sie den Strafvollzug in Russland. Dort würden Menschenrechtsverletzungen vertuscht.

Finanzieren wollen sie ihr Projekt via Crowdfunding. Sie würden niemanden persönlich um Hilfe bitten, sagt Aljochina, auch nicht Michail Chodorkowskij: "Wir bewundern Chodorkowskij, aber wir brauchen keine finanzielle Hilfe von ihm." Ihre Bandkollegin Tolokonnikowa ergänzt: Sie hofften eher auf "konzeptuelle Zusammenarbeit" mit dem begnadigten Ex-Oligarchen.

Angesprochen auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin, entgegnet Tolokonnikowa: "Ich würde mir Chodorkowskij auf diesem Posten wünschen." Dieser hatte jedoch bereits nach seiner Freilassung angegeben, nicht nach politischer Macht zu streben. Putin sei "ein von Angst getriebener Tschekist", führt Tolokonnikowa weiter aus. An ihrer Einstellung zu ihm habe sich nichts geändert: "Wir wollen immer noch, dass er geht". Tolokonnikowa zufolge werden die Pussy-Riot-Aktivistinnen auch mit dem bekannten oppositionellen Blogger Alexej Nawalny zusammenarbeiten, der zuletzt für den Posten des Moskauer Bürgermeisters kandidiert hatte.

Auf die Frage nach der Zukunft von Pussy Riot reagieren die Frauen ablehnend. "Wir sind in diesem Moment nicht Pussy Riot", sagt Tolokonnikowa. "Wir haben uns entschieden, uns von der Marke Pussy Riot zu lösen." Ihr Auftritt ist betont ernsthaft, wenig krawallig - anders als das "Punk-Gebet", für das sie vor knapp zwei Jahren verhaftet worden waren.

"Wir haben hier kein Tauwetter", kommentiert Tolokonnikowa ihre Freilassung. Ihre Freilassung habe mit den Olympischen Spielen in Sotschi zu tun. Tolokonnikowa fordert einen Boykott der Veranstaltung. "Kommt zu Olympia, aber nicht als kulturelles oder sportliches Ereignis, sondern als politisches Ereignis", sagt hingegen Aljochina.

"Danke, dass Ihr uns unterstützt habt, im vergangenen Jahr. Ohne Euch hätten wir das nicht geschafft", bedankt sich Aljochina zum Schluss der Pressekonferenz bei ihren Anhängern.

  • Massenamnestie: Tolokonnikowa und Aljochina waren im Zuge einer Massenamnestie zum 20-jährigen Jubiläum der russischen Verfassung aus der Haft entlassen worden. Unmittelbar danach kritisierten sie Putin und die Regierung erneut heftig. Russland sei nach dem Modell einer Strafkolonie aufgebaut, sagte Tolokonnikowa. Aljochina bezeichnete ihre Freilassung als PR-Trick.
  • Chodorkowskij warnt Pussy Riot: Der begnadigte Kremlgegner Michail Chodorkowskij warnte die Frauen vor "Hass und Groll". Er gratulierte ihnen zur Freilassung: "Ich bin froh zu hören, dass die Folter, die einem europäischen Staat im 21. Jahrhundert unwürdig ist, nun zu Ende ist", schrieb er. Tolokonnikowa und Aljochina hoffen auf die Unterstützung des ehemaligen Öl-Milliardärs. Er hatte angedeutet, sich für russische Häftlinge einsetzen zu wollen.
  • Möglicher Zusammenhang mit Sotschi: Wie Aljochina sehen auch deutsche Politiker die Amnestie und die Begnadigung Chodorkowskijs im Zusammenhang mit den Olympischen Spielen in Sotschi in diesem Winter. Tolokonnikowa forderte vom Ausland einen Boykott der Spiele, falls nicht mehr Häftlinge begnadigt werden. Die Verfahren gegen die Greenpeace-Aktivisten der "Arctic Sunrise" wurden bereits fallengelassen. Fünf britische Aktivisten sind mittlerweile auf dem Weg in ihre Heimat.

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