Süddeutsche Zeitung

Bundeswehr:Gegenwind für Pistorius aus den eigenen Reihen

Lesezeit: 2 min

Der Verteidigungsminister fordert zusätzliche Milliarden für die Modernisierung der Bundeswehr. In Teilen der SPD wächst jedoch die Sorge, dass dieses Geld bei anderen zentralen Reformprojekten der Ampelregierung fehlen könnte. Nicht nur Parteichefin Esken hätte da einige Ideen.

Von Mike Szymanski, Berlin

Der Start von Boris Pistorius als neuer Verteidigungsminister gilt als fulminant: Im ZDF-Politbarometer hat er bei der Bewertung der zehn wichtigsten Politikerinnen und Politiker nach Sympathie und Leistung nach nur vier Wochen den Spitzenplatz übernommen. In seiner Partei, der SPD, hört man viel Lob für den 62-Jährigen, der zuvor zehn Jahre lang das Innenministerium in Niedersachsen geführt hat.

Nachdem seine Vorgängerin Christine Lambrecht fast nur wegen Kritik an ihrer Amtsführung im Fokus stand, hat die von Kanzler Olaf Scholz (SPD) ausgerufene sicherheitspolitische Zeitenwende nach einem Jahr quasi durch Pistorius' Beförderung einen Neustart erfahren. Einerseits besteht in der Kanzlerpartei der Wille, die Modernisierung der Truppe zum Erfolg zu führen. Andererseits wächst die Sorge, diese Aufgabe könne so groß werden, dass kaum mehr Ressourcen bleiben für die eigentlichen Vorhaben, mit denen die Sozialdemokraten in die Ampel-Jahre gestartet sind.

Nun hat SPD-Chefin Saskia Esken im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Pistorius vorsichtig Grenzen aufgezeigt. Man habe in der Koalition wichtige Vorhaben vereinbart, die aber noch nicht finanziert seien. Als Beispiele nannte sie die Bekämpfung der Kinderarmut. Die SPD will eine Kindergrundsicherung einführen, die wegen zu erwartender Kosten in Milliardenhöhe als "Mammutprojekt" gilt. Allein bei Schulgebäuden sieht die SPD-Politikerin deutschlandweit einen Sanierungsstau im Volumen von 50 Milliarden Euro. Längst bringen sich im Verteilungskampf ums Geld für die kommenden Jahre die Lager auch innerhalb der SPD in Stellung.

100 Milliarden Euro extra reichen nicht, findet Pistorius

Pistorius ist entschlossen, für den Verteidigungsetat - der derzeit bei 50 Milliarden Euro liegt - mindestens zehn Milliarden Euro mehr herauszuholen. Er will das der Nato zugesagte Ziel, wenigstens zwei Prozent der Wirtschaftsleistung in Verteidigung zu investieren, möglichst rasch erfüllen. 2022 schaffte Deutschland ungefähr 1,7 Prozent. Dabei hatte Scholz' Ampel bereits 100 Milliarden Euro extra in einem Sondervermögen zur Sanierung der Truppe bereitgestellt - so viel Geld außer der Reihe gab es für die Bundeswehr noch nie. Aber Pistorius ist der Meinung, dass es nicht reichen wird.

Der SPD-Haushaltspolitiker Andreas Schwarz sagte der Süddeutschen Zeitung: Zehn Milliarden Euro zusätzlich im Jahresetat sei die Größenordnung, die man schon brauche, um "spürbar" etwas zu verändern. "Der von Boris Pistorius eingeschlagene Weg ist dann zügig erfolgreich, wenn der Verteidigungsetat zum Erreichen des Zwei-Prozent-Ziels anwächst. Ausgaben für Munition, Ausbildung, Instandsetzung, aber auch Inflationskosten sind im Sondervermögen nicht enthalten." Eine halbherzig betriebene Modernisierung der Truppe - das ist die Sorge der Pistorius-Unterstützer - könnte das in ihn gesetzte Vertrauen schnell wieder schwinden lassen.

Pistorius' Problem: Schon als der Kanzler wenige Tage nach Beginn des russischen Angriffskriegs im Februar 2022 das Sondervermögen ankündigte, war in Reihen der SPD, aber auch unter den Ampelpartnern Grüne und FDP die Unterstützung dafür mit der festen Erwartung verbunden, dass das schwerfällige Beschaffungswesen reformiert wird. Die damalige Ministerin Lambrecht wollte den Apparat aber nicht durch einen Umbau schwächen. Sie ließ Gesetze ändern, aber behielt die Strukturen bei. Ein Versäumnis, wie sich jetzt zeigt. Parteichefin Esken formuliert nun Arbeitsaufträge für Pistorius: Es sei jetzt wichtig, dass das Beschaffungswesen im Verteidigungsministerium dazu befähigt werde, das Geld aus dem Sondervermögen "zielgerichtet einzusetzen". Sie sagte: "Dann sprechen wir weiter."

So sieht das auch Sebastian Roloff, Vertreter der Parteilinken in der Fraktion. "In diesen Haushaltszeiten muss jede Ausgabe mit Augenmaß getätigt werden - das wird gerade überall deutlich und wir dürfen den Bedarf in anderen Bereichen nicht ignorieren", sagte er der SZ. Seine Botschaft an Pistorius: Für die Bundeswehr stehe doch schon viel Geld zur Verfügung.

Vier Wochen im Amt, geschätzt und beliebt, steht der neue Minister damit schon vor der ersten Kraftprobe - mit den eigenen Leuten.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5754940
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.