Verteidigung:100 Milliarden Euro - aber wofür genau?

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Regelmäßiges Training für den Ernstfall, der hoffentlich nie eintritt: Eine Woche lang wird auch im Fliegerhorst geübt (hier Soldaten bei einer Häuserkampf-Vorführung in Mecklenburg-Vorpommern). (Foto: Stefan Sauer/dpa)

Bundeskanzler Scholz hat ein riesiges Sondervermögen für die Modernisierung der Bundeswehr initiiert, doch manchen in der Ampelkoalition geht es nicht schnell genug voran.

Von Mike Szymanski, Berlin

Die Modernisierung der Bundeswehr mithilfe des Sondervermögens von 100 Milliarden Euro kommt nach übereinstimmender Ansicht mehrerer Ampel-Politikerinnen und -Politiker nicht zügig genug voran. Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, bemängelt, dass bald acht Monate nach Scholz' Ankündigung des Extra-Etats Unklarheit darüber herrsche, wofür das Geld ausgegeben werden soll. "Bis heute gibt es im Ministerium keine abgestimmte Liste mit konkreten Projekten, die aus dem Sondervermögen finanziert werden sollen", sagte Strack-Zimmermann der Süddeutschen Zeitung. "Das muss sich schnell ändern. Ich erwarte, dass Entscheidungen getroffen werden."

Bereits wenige Tage nach dem Kriegsausbruch in der Ukraine im Februar hatte Kanzler Olaf Scholz (SPD) in seiner Zeitenwende-Rede angekündigt, mit zusätzlichen Milliarden die Bundeswehr wieder in die Lage zur Landes- und Bündnisverteidigung zu versetzen. Im Sommer wurden dafür im Parlament die gesetzlichen Grundlagen geschaffen. Das Grundgesetz musste geändert werden. Bei den 100 Milliarden Euro handelt es sich um Kredite.

Derzeit laufen im Bundestag die Beratungen für den Haushalt 2023. Was aus dem Sondervermögen finanziert werden soll, muss in einem Wirtschaftsplan hinterlegt werden. Bei einigen großen Rüstungsvorhaben - neue Kampfjets etwa oder schwere Transporthubschrauber - hat Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) zwar entschieden, welche Modelle angeschafft werden sollen. Aber die konkrete Umsetzung der Projekte zieht sich hin. Darüber hinaus gehen die Ansichten im Ministerium offenbar auseinander, wie moderne Streitkräfte aussehen sollen und was dafür beschafft werden muss.

Die Rechnungsprüfer kritisieren den Entwurf als viel zu vage

Diese Unsicherheiten haben sich im Wirtschaftsplan niedergeschlagen. Der bisher vorgelegte Entwurf fiel bei einer Prüfung durch den Bundesrechnungshof durch, weil er in großen Teilen zu vage bleibe und die Zahl der angemeldeten Investitionsvorhaben, 150 an der Zahl, sogar die zur Verfügung stehende Summe von 100 Milliarden Euro übersteige. Dies geht aus einem Prüfbericht vorher, der der SZ vorliegt. Das Ministerium wurde aufgefordert, den Wirtschaftsplan nachzubessern, und ist nach eigenen Angaben damit beschäftigt.

Die Kritik der Rechnungsprüfer beschäftigt auch die Haushaltspolitiker, bei ihnen wachsen die Irritationen. Andreas Schwarz (SPD) verwundert beispielsweise, dass aus dem Sondervermögen kaum Geld für die Artillerie ausgegeben werden soll. Dabei verlangt einerseits die Nato von Deutschland künftig stärkere Heeresverbände, andererseits hat Berlin 14 ihrer ohnehin nur noch 109 Panzerhaubitzen an die Ukraine abgegeben. Es steht lange fest, dass dafür schnell Ersatz beschafft werden muss.

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SZ-Informationen zufolge sei im Ministerium aber immer noch nicht geklärt, welche Modelle man kaufen wolle, ob sie sich beispielsweise künftig auf Rädern oder Ketten fortbewegen sollen. Aus Sicht des Haushälters Schwarz schließt sich dabei gerade ein Zeitfenster zur Finanzierung. "Der Ukraine-Krieg verdeutlicht die Bedeutung der Artillerie", sagte Schwarz der SZ. Er wäre bereit, dafür Geld bereitzustellen. Es müssten nur die Vorarbeiten geleistet werden: "Hier sind noch Nachbesserungen notwendig", sagte Schwarz.

Für Sebastian Schäfer, Haushaltspolitiker der Grünen, kommt insgesamt zu wenig aus dem Verteidigungsministerium: "Was uns fehlt, sind ausreichend konkrete Beschaffungsvorlagen." Angesichts der Zeitenwende gehe "nach wie vor vieles zu langsam". Die FDP-Politikerin Strack-Zimmermann führte aus: Das Verteidigungsministerium sei gar nicht darauf vorbereitet gewesen, mit einer solchen Summe umzugehen. "Das Problem ist: Wir haben jetzt Geld für die Bundeswehr, aber die Strukturen sind unverändert geblieben."

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