Süddeutsche Zeitung

Merkel bei Putin:"Zusammenarbeit muss sehr schwere Differenzen aushalten"

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Syrien, Ostukraine, Atomabkommen: Bundeskanzlerin Angela Merkel ist zu Besuch bei Russlands Präsident Wladimir Putin, um unter vier Augen über die Krisen der Welt zu sprechen. Merkel hatte Russland zuletzt vor einem Jahr besucht.

In der anschließenden Pressekonferenz hielten sich die Verhandler bedeckt. Die Kanzlerin kommentierte, es handle sich um "insgesamt wichtige Gespräche". Denn: "Wir haben ein strategisches Interesse daran, gute Beziehungen zu Russland zu haben."

Ein zentrales Thema des Gesprächs sei der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine gewesen. Merkel drängt seit Langem vergeblich darauf, die Umsetzung der Minsker Friedensvereinbarungen für die Ostukraine voranzutreiben. Bei ihrem Auftritt mit Putin sprach die Kanzlerin deutlich die vergangene Nacht an. Bei Artilleriebeschuss durch prorussische Separatisten in der Ostukraine wurden drei Zivilisten getötet. Die Kanzlerin bezeichnete dies als "schwere Verletzungen des Waffenstillstands". Merkel und Putin betonten beide, sie würden einen UN-Einsatz in der Region befürworten. Wirklich weiter gekommen sind die Gespräche zum Thema Ukraine also offenbar nicht.

Merkel kommentierte allgemein: "Auch diese deutsch-russische Zusammenarbeit muss sehr schwere Differenzen aushalten und manchmal auch sehr grundsätzliche", doch sie sei überzeugt: "Wenn man Probleme lösen will, muss man auch darüber reden." Die Kanzlerin betonte außerdem, den Präsidenten auf Verletzungen der Pressefreiheit angesprochen zu haben.

Ein Projekt, das Deutschland und Russland trotz der festgefahrenen Beziehungen verbindet, ist die im Bau begriffene Ostsee-Pipeline Nord Stream 2. Die USA würden die Pipeline gerne noch verhindern; Ukraine und EU kritisieren das Projekt unter anderem, weil damit die Ukraine im Gastransit keine Rolle mehr spielen wird. Merkel und Putin erwähnten beide, dass das Projekt vor allem ein wirtschaftliches sei und kein politisches. "Aber es hat eben auch Implikationen", sagte Merkel. Putin versprach überraschend deutlich, dass in Zukunft die Ukraine ein Transitland von Gaslieferungen bleiben könne - schob aber nach, dass die Lieferungen über die Ukraine "wirtschaftlich gerechtfertigt" sein müssten. Merkel äußerte die Überzeugung, "dass auch nach dem Bau der Nord Stream 2 die Transitrolle der Ukraine weiter bestehen muss".

Außerdem erklärten die Kanzlerin und der Präsident, zum Krieg in Syrien vereinbart zu haben, sich gemeinsam für einen politischen Prozess einzusetzen. Was die Kanzlerin erst kurz vor ihrer Ankunft erfahren hatte: Syriens Präsident Baschar al-Assad war am Donnerstag ebenfalls bei Putin in Sotschi. Russland ist Syriens wichtigste Schutzmacht. Deutschland will, dass dort ein politischer Prozess beginnt, der zumindest einem Teil der Millionen Kriegsvertriebenen und Flüchtlinge die Rückkehr in ihre Heimat ermöglicht. Auch soll der Einfluss Irans in dem Nachbarland Israels zurückgedrängt werden.

Zum gefährdeten Atomabkommen mit Iran wiederholte Merkel ihre Sichtweise, dass die Vereinbarung um weitere Aspekte ergänzt werden müsse. Aber: "Es ist besser, als kein Abkommen zu haben." Deutschland und Russland wollen beide an dem Vertrag festhalten, den US-Präsident Donald Trump in der vergangenen Woche einseitig aufgekündigt hatte.

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