Süddeutsche Zeitung

Diplomatie:Im Zeichen des Impfens

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Bundesaußenminister Heiko Maas besucht Serbien und Kosovo. Dabei stellt er klar: Nicht Russland mit seinem Covid-Impfstoff Sputnik V, sondern Europa ist der Helfer in der Not.

Von Daniel Brössler, Belgrad/Pristina

Eigentlich wollte er schon längst hier gewesen sein. Ein Jahr lang habe er diese Reise immer wieder aufschieben müssen wegen der "Pandemie und des Infektionsgeschehens", berichtet Heiko Maas (SPD). Wie sehr sich die Welt in diesem Jahr verändert hat, bekommt der Außenminister jetzt bei einem Glas Sekt zu spüren. Soeben hat er im kleinsten Kreis das neue Kanzleigebäude der deutschen Botschaft in der serbischen Hauptstadt Belgrad eröffnet, jetzt steht er noch kurz mit dem Parlamentspräsidenten und der Europaministerin zusammen. Beide erkundigen sich nach der Impflage in Deutschland.

Man werde Mitte Mai mit der Impfung der unter 60-Jährigen beginnen können, berichtet Maas. Da nicken die serbischen Gastgeber höflich. In dem Balkanstaat haben schon 27,8 Prozent mindestens die Erstimpfung erhalten, 18,8 Prozent sind vollständig geimpft. "Sie haben vier Impfstoffe zur Verfügung. Sie können wählen", hatte Serbiens Präsident Aleksandar Vučić eben bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Maas über seine Bevölkerung gesagt. In Serbien herrscht kein Mangel an Impfstoff; eher schon an Menschen, die sich impfen lassen wollen.

Vor einem Jahr, als die Planungen für diese Reise nach Serbien und Kosovo begonnen hatten, war es um den schwierigen Prozess der Normalisierung zwischen den beiden Ländern gegangen. Das ist jetzt immer noch so, aber die Bewältigung der Pandemie und das Rennen ums Impfen haben sich in den Vordergrund geschoben. Serbien ist mithilfe von Impfstoff auch aus China und Russland den EU-Staaten davongelaufen; im armen Kosovo wurde fast noch gar nicht geimpft.

Dennoch sind es die deutschen Nöte mit dem Impfen, die Maas bis auf den Balkan verfolgen. Maas lobt den serbischen Vorsprung. Man habe aber auch in Deutschland und der EU aufgeholt, sagt er. Jeder Fünfte habe eine Erstimpfung. Aus Moskau kommt derweil die von Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer verkündete Nachricht, Deutschland wolle bis August 30 Millionen Dosen des russischen Corona-Impfstoffs Sputnik V kaufen.

Eine Schnittstelle des Konflikts mit Russland

Erkennbar nervt Maas der Eindruck, Russland agiere hier als Retter. Man müsse doch die Relationen im Blick haben, fordert er. In Deutschland seien drei Mal so viele Impfdosen verabreicht worden wie Russland. Biontech werde überdies in Marburg 60 Millionen Dosen pro Monat produzieren. Da erscheine ihm "die mediale Aufmerksamkeit ein bisschen hoch" für Sputnik V, das auch noch in der EU zugelassen werden müsse. Schon am Vortag hatte Maas Unbehagen darüber erkennen lassen, dass sich der Sachse in Moskau "instrumentalisieren" lassen könnte, und die Erwartung geäußert, er möge auch Themen wie "Alexej Nawalny oder auch die schwierige und gefährliche Lage in der Ostukraine ansprechen". Die Reise auf den westlichen Balkan ist für Maas ein Ortstermin an einer der Schnittstellen des Konflikts mit Russland. In Belgrad hat der Gazprom-Konzern russische und serbische Fahnen plakatiert mit der Aufschrift: "Eine Partnerschaft für die Zukunft."

Das freilich ist ein Eindruck, den Präsident Vučić zwar oft genug gefördert hat, nun aber zerstreuen möchte. Bei einem Abendessen versorgt er seinen Gast nicht nur mit serbischen Köstlichkeiten, sondern auch mit Unmengen an Zahlen, welche die Annäherung seines Landes an die Europäische Union dokumentieren sollen. Während der Pressekonferenz vermeidet es Vučić nach Möglichkeit, über Russland zu sprechen. Als er nach Sputnik V gefragt wird, lässt der Präsident anklingen, dass die Zuverlässigkeit der Liefermengen aus Russland zu wünschen übrig lasse.

In Pristina stellt die neue Präsidentin Vjosa Osmani am Vortag an der Seite von Maas wiederum klar, dass sie in Sputnik V ein Vehikel Russlands sieht, auch auf dem Balkan seinen Einfluss auszubauen. "Je mehr die EU uns unterstützt, desto mehr wird der russische Einfluss zurückgedrängt", erklärt sie resolut. Die EU sehe sich durchaus in der Lage, den Ländern der Region auch beim Impfen zu helfen, stellt Maas klar. "Es mag sein, dass Russland und China bei der Versorgung mit ersten Impfstoffen schneller gewesen sind als die Europäische Union", aber die Impfstoffversorgung für die Länder des westlichen Balkan habe jetzt begonnen.

Die EU hat gerade ein Paket mit 651 000 Dosen auf den Weg gebracht, von denen 95 000 für Kosovo gedacht sind. Schon in wenigen Monaten, sagt Maas, werde klar sein: "Die wahren Unterstützer zur Überwindung der wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Pandemie sitzen nicht in Moskau oder Peking, sondern sie sitzen in den Hauptstädten der Mitgliedsländer der Europäischen Union."

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