Süddeutsche Zeitung

Nordrhein-Westfalen:Gericht erlaubt Räumung in Lützerath

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Das Verwaltungsgericht Aachen weist den Eilantrag einer Klimaaktivistin zurück. Am Rande des Braunkohle-Tagebaus sei kein ziviler Ungehorsam gerechtfertigt. Die Kläger ziehen nun in die nächste Instanz.

Von Christian Wernicke, Düsseldorf

Der Versuch, kurzfristig die für nächste Woche erwartete Räumung des Protestdorfs Lützerath juristisch zu stoppen, ist am Donnerstag zunächst gescheitert. Das Verwaltungsgericht Aachen lehnte einen entsprechenden Eilantrag einer Klimaaktivistin ab: Die so genannte "Allgemeinverfügung" des Kreises Heinsberg, die ab 10. Januar einen Polizeieinsatz am Rande des Braunkohle-Tagebaus Garzweiler II erlaubt, ist nach Meinung des Gerichts rechtmäßig.

Christian Mertens, der Rechtsanwalt der Antragstellerin, hatte argumentiert, die Abbaggerung von Lützerath sei keineswegs notwendig, um - wie vom Energiekonzern RWE und von der NRW-Landesregierung behauptet - eine sichere Energieversorgung in Deutschland zu garantieren. Der Anwalt sagte der Süddeutschen Zeitung, er werde nun sofort Beschwerde vor dem Oberverwaltungsgericht Münster einlegen. Das OVG wird nun frühestens am Montag entscheiden.

Das Verwaltungsgericht Aachen deutete die Besetzung von Lützerath am Donnerstag als "eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit." Die Aktivisten könnten ihren Aufenthalt in dem Weiler nicht unter Berufung auf "zivilen Ungehorsam" infolge eines "Klimanotstands" rechtfertigen, heißt in einer Mitteilung des Gerichts.

Anwalt Mertens hatte bemängelt, das Aufenthaltsverbot sei mit fast acht Wochen Dauer und einem Geltungsbereich von über einem Quadratkilometer zeitlich und räumlich zu weit gefasst.

Vier Tage vor Weihnachten hatte der Kreis Heinsberg (in dem Lützerath liegt) die Allgemeinverfügung erlassen. Diese verbietet per "Platzverweisung" seit dem 23. Dezember den Aufenthalt in den verbliebenen sieben Gebäuden, in den Zelten auf einer Protestwiese oder in den 25 Baumhäusern. Das Gericht stuft die Allgemeinverfügung als verhältnismäßig ein.

Räumung droht ab 10. Januar

Zudem droht der Kreis Heinsberg den derzeit ungefähr 300 Klimaaktivisten in Lützerath ab 10. Januar mit einer Räumung durch die Polizei. Beobachter rechnen damit, dass im Laufe kommender Woche ein Großeinsatz von mehreren hundert Beamten startet, der bis zu vier Wochen dauern dürfte.

Zur Begründung für Aufenthaltsverbote und Räumung hatte der Kreis Heinsberg darauf verwiesen, dass der Energiekonzern RWE sämtliche Liegenschaften im Ort längst erworben habe. Im März 2022 hatte das Oberverwaltungsgericht Münster eine Beschwerde des letzten Lützerather Bauern gegen das Abbaggern des Weilers abgelehnt.

Am 4. Oktober 2022 hatten Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und NRW-Klimaministerin Mona Neubaur (beide Grüne) dann eine Einigung mit RWE-Chef Markus Krebber vorgestellt: Demnach wird der Ausstieg aus der Braunkohle im so genannten "Rheinischen Revier" zwischen Köln und Aachen zwar um acht Jahre auf 2030 vorgezogen - aber das ertragreiche Flöz unter Lützerath müsse abgegraben werden. Diese unter Grünen höchst umstrittene Entscheidung begründete Neubaur auch mit Moskaus Krieg in der Ukraine: Man müsse kurzfristig mehr Kohle verstromen, um Gasimporte aus Russland zu ersetzen.

Im jetzigen Eilverfahren hatte Daniel Thal, der Rechtsvertreter des Kreises Heinsberg, die drohende Räumung mit einer andernfalls drohenden "gravierenden Gefahr" für die Energieversorgung begründet. Thal zitierte ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1994: "Das Interesse an einer Stromversorgung ist heute so allgemein wie das Interesse am täglichen Brot." Alle ursprünglichen Bewohner hätten das Dorf längst verlassen. Den jetzt dort auf RWE-Eigentum lebenden Aktivisten, so Thal weiter, fehle jegliche Grundlage für eine Klage, da sie "keine subjektiven Rechte in Lützerath geltend machen können."

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