Süddeutsche Zeitung

Klima:Tausende Tote durch Hitzewellen in Deutschland seit 2003

Lesezeit: 2 min

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Der Klimawandel wird in Deutschland zunehmend zu einem konkreten Problem. Das geht aus dem jüngsten Monitoringbericht hervor, den die Bundesregierung am Dienstag in Berlin vorgelegt hat. Die Lufttemperatur sei seit Beginn der Wetteraufzeichnungen "statistisch gesichert um 1,5 Grad Celsius angestiegen", heißt es in dem Bericht. "Wir beobachten eine beunruhigende Beschleunigung", sagt Tobias Fuchs, Chef der Klimaabteilung beim Deutschen Wetterdienst. Durch natürliche Effekte sei das Tempo nicht mehr zu erklären. Noch der vorige Bericht war nur von 1,2 Grad Anstieg bis 2013 ausgegangen.

Die Bundesregierung legt alle vier Jahre einen solchen Monitoringbericht vor. Er soll vor allem helfen, Bund, Länder und Gemeinden auf die Folgen des Klimawandels vorzubereiten. Die aber werden in dem jüngsten Bericht so deutlich wie in keinem zuvor. So stieg die Zahl sogenannter "heißer Tage" von durchschnittlich drei zu Beginn der fünfziger Jahre auf mittlerweile zehn. Solche Tage mit Höchsttemperaturen über 30 Grad machen vor allem älteren Menschen und Städtern zu schaffen.

Der Bericht beziffert nun erstmals die Folgen solcher Hitzewellen: So seien 2003 durch die Hitze 7500 Menschen vorzeitig gestorben, 2006 und 2015 hätten heiße Sommer je 6000 zusätzliche Todesfälle gefordert. "Das ist die größte Naturkatastrophe, die wir in Deutschland in den letzten 50 Jahren hatten", sagt Maria Krautzberger, Chefin des Umweltbundesamtes. In der Landwirtschaft habe der Klimawandel im Jahr 2018 zu Ernteausfällen von 700 Millionen Euro geführt, während dem trockenen Wald Borkenkäfer und Brände zu schaffen machten. Eine Fläche von 3300 Fußballfeldern sei Waldbränden zum Opfer gefallen.

Greenpeace: Klimapaket kann nur der Anfang sein

Die Antworten im Bericht reichen von der Stärkung des Katastrophenschutzes bis zum Umbau von Wäldern, hin zu widerstandsfähigen Mischwäldern. Deiche müssen höher werden, Städte sich gegen Hitze wappnen, etwa durch "Frischluftkorridore" oder begrünte Dächer. Vorsorgen müssen sie auch für Starkregen, der Keller und Straßen öfter überschwemmt. "Das Weltklima ist nicht irgendwo anders, es betrifft uns alle", sagte Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) bei der Vorstellung des Berichts. "Die erste Antwort lautet: Viel mehr Klimaschutz, und zwar weltweit."

Umweltschützer und Grüne fordern das angesichts der jüngsten Zahlen auch von der Bundesregierung. "Das sogenannte Klimapaket kann nur der Anfang einer besseren deutschen Klimapolitik gewesen sein", sagte Greenpeace-Klimaexperte Andree Böhling. Und Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter verlangte einen "klimapolitischen Neuanfang". Die Bundesregierung scheitere daran, "eine gute Zukunft für unser Land zu sichern".

Es droht eine Erhitzung um 3,2 Grad Celsius

International aber ist die Lage noch bescheidener. Am Dienstag, wenige Tage vor Beginn der UN-Klimakonferenz in Madrid, veröffentlichte das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) neue Zahlen zu Soll und Haben im Klimaschutz. Demnach stiegen die globalen Treibhausgas-Emissionen im Durchschnitt dieses Jahrzehnts um 1,5 Prozent im Jahr. 2018, drei Jahre nach der Verabschiedung des Pariser Klimaabkommens, erreichten sie einen neuen Rekord.

Um aber die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, müssten die Emissionen bis 2030 jährlich um 7,6 Prozent schrumpfen, heißt es in dem UNEP-Report. Bleibe es dagegen bei den bisherigen Zielen der Staaten, drohe eine Erhitzung um 3,2 Grad Celsius. "Seit zehn Jahren schlagen die UNEP-Berichte Alarm", sagte UN-Generalsekretär António Guterres. "Und seit zehn Jahren hat die Welt die Emissionen nur gesteigert."

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