Süddeutsche Zeitung

Autoindustrie:Steckdose gesucht!

Lesezeit: 2 min

Warum der Umstieg auf E-Mobilität in Japan nur schleppend vorangeht.

Von Thomas Hahn, Yokohama

Das weltweit erste Elektroautohaus von Mercedes-Benz liegt zwischen reizlosen Häusern in einer Landschaft aus Grautönen. Yokohama ist anderswo schöner, dafür hat man hier einen guten Blick auf die raue Wirklichkeit des japanischen Straßenverkehrs. Vor dem Schaufenster verläuft die zweistöckige Autobahn "Route K1" sowie eine ebenerdige Schnellstraße. Im rauschenden Strom kann man sehen, dass kaum jemand in Japan komplett abgasfrei fährt. Und wenn man die leitende Produktmanagerin Asami Ueno fragt, ob ihr Stuttgarter Arbeitgeber im Inselstaat genügend Ladestationen für sein E-Angebot vorfindet, sagt sie offen und auf Deutsch: "Nein, es gibt noch Probleme."

Japan fremdelt etwas mit der großen Wende vom Verbrenner zum Auflade-Fahrzeug, die zum besseren Klimaschutz beitragen soll. Aber die stolze Autonation merkt gerade, dass sie die Entwicklung nicht aufhalten kann. Denn nicht nur Mercedes drängt mit seinen Elektroautos ins Land. Viele europäische Hersteller tun das. Von 2035 an verbietet die EU den Verkauf von Neuwagen mit Benzin- oder Dieselmotor - früher oder später müssen ihre auspufflosen Produkte auch in Japan laufen.

Von 2035 an sind Neuwagen mit reinem Verbrennermotor auch in Japan verboten

Die Zeitung Asahi berichtet, dass Porsche 2022 zwei Filialen in Tokio als Bühne für seine Elektromodelle eröffnet habe. Der schwedische Autobauer Volvo plane ebenfalls, seine E-Errungenschaften nicht mehr nur online zu vertreiben. Auch sonst entsteht der Eindruck, dass die Branche Japans Autofahrerinnen und -fahrer sanft in Richtung Steckdose drängen will. Tesla, der größte Elektroautobauer der Welt aus den USA, fing 2022 damit an, Probefahrten in Tokio anzubieten. Hyundai aus Südkorea kehrte nach 13-jähriger Japan-Pause mit einer Strategie zurück, die ganz auf EV, auf Electric Vehicles, ausgerichtet ist.

Aber EV sind in Japan noch selten. 2022 machten sie weniger als zwei Prozent aller verkauften Autos aus. "Ohne Kleinstwagen sogar nur 1,4 Prozent", sagt Asami Ueno. In Japan beruhigen in erster Linie Hybridautos das grüne Gewissen, also Fahrzeuge, die einen Elektro- und einen Benzinmotor haben. Diese werden auch erlaubt bleiben, wenn Japan 2035 seinerseits den Verkauf von neuen Benzin- und Dieselautos verbietet.

Japanische Firmen sind Vorreiter in der Hybrid-Technologie, Toyota ist nach Verkaufszahlen Hybrid-Weltmeister. Wohl auch deshalb hat Japan weniger Ladestationen als die führenden EV-Regionen China, Europa, USA und Südkorea. Und diese wenigen Stationen folgen nicht einmal den Technikstandards der USA, Europas oder Südkoreas. "Die Form des Steckers ist total anders", erklärt Asami Ueno. Das macht es nicht leichter, den Elektrotrend nach Japan zu tragen.

Aber es ist auch nicht so, dass Japan davon nichts wissen will. Die Regierung unterstützt E-Auto-Käufe finanziell. Wer in Yokohama einen aufladbaren Mercedes ersteht, bekommt ihn wegen Zuschüssen der Präfektur Kanagawa noch etwas billiger. Und bei Toyota steht ein vielsagender Führungswechsel bevor. Der Gründer-Enkel Akio Toyoda, 66, gibt nach 14 Jahren zum 1. April die Geschäftsführung an seinen jüngeren Managerkollegen Koji Sato, 53, ab. Grund: Toyota will sich nicht kampflos von ausländischen Elektroautos überholen lassen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5741800
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.