Süddeutsche Zeitung

Italien:Meloni macht Tempo

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Die Chefin der italienischen Postfaschisten Giorgia Meloni erhält den Regierungsauftrag und stellt ihr Team vor. Die gesamte Rechte unterstützt sie, vorerst jedenfalls. Doch die Mehrheit ist fragil.

Von Oliver Meiler, Rom

Es sollte schnell gehen - aber gleich so schnell? Nach tagelangen Wirren im italienischen Rechtslager hat Giorgia Meloni am Freitag von Staatspräsident Sergio Mattarella den Auftrag erhalten, ein neues Kabinett zu bilden. Und da die Chefin der postfaschistischen Fratelli d'Italia in Eile ist, präsentierte sie sich zum Treffen im römischen Quirinalspalst auch gleich mit der Ministerliste. Sie selbst steht da als "Presidente del Consiglio". Meloni wird die erste Frau im Amt des italienischen Premiers sein. Die Premiere verleitet manche Medien dazu, sie "Presidentessa" zu nennen.

Schnell ging es auch deshalb, weil die Delegation der Rechten davor nur etwa zehn Minuten gebraucht hatte, um dem Präsidenten ihre Unterstützung für Meloni zu bekunden. Vor der Presse sprach nur Meloni, eine knappe Minute lang, so viel Tempo war wirklich noch selten. Sie wolle "dieser Nation" eine neue Regierung geben, sagte sie. "Wir sind bereit." Ihre zwei Hauptpartner im Bündnis, Silvio Berlusconi von Forza Italia und Matteo Salvini von der Lega, standen wortlos neben ihr. Wie man hört, war das eine Vorgabe der neuen starken Frau der italienischen Politik. Berlusconi, der in den vergangenen Tagen mit unfreundlichen Zettelchen über Meloni und verstörenden Äußerungen über Wladimir Putin und den Krieg in der Ukraine für viel Unruhe gesorgt hatte, lächelte zuweilen etwas gönnerhaft in die Runde, hielt sich aber tatsächlich zurück.

In der neuen Regierung wird Antonio Tajani von Forza Italia als Außenminister und Vizepremier sitzen. Meloni hielt an ihm fest, obschon er als Nummer zwei seiner Partei ein enger Weggefährte von Berlusconi ist. An seiner Expertise und an seinem Bekenntnis zu Europa gibt es jedoch keine Zweifel: Der 69-jährige Römer war viele Jahre lang Europa-Abgeordneter und zwei Mal auch EU-Kommissar. Meloni entschied sich für Tajani, weil der gewissermaßen als Korrektiv in ihrer derzeit schwierigsten Partnerpartei fungiert.

Vizepremier wird auch Salvini, der neue Transportminister Italiens. Der wäre lieber Innenminister geworden, muss den Posten aber dem römischen Präfekten Matteo Piantedosi überlassen, der früher mal sein Kabinettschef war. Wirtschafts- und Finanzminister wird Giancarlo Giorgetti von der Lega, ein "Draghianer". Meloni hätte da lieber einen prominenten, parteilosen Technokraten gehabt, doch alle Angefragten lehnten ab. Landwirtschaftsminister wird Francesco Lollobrigida, der Schwager Melonis. Ihren Eid werden die 24 Minister bereits am Samstagmorgen um zehn Uhr leisten. Nur sechs von ihnen sind Frauen, abgesehen von Meloni.

Für Dienstag und Mittwoch sind dann die Vertrauensabstimmungen in der Abgeordnetenkammer und im Senat geplant. Italien ist eine parlamentarische Demokratie. In Amt und Verantwortung ist eine neue Regierung erst, wenn sie das Vertrauen beider Kammern erhalten hat. Nach ihrem Sieg bei den Parlamentswahlen am 25. September sollte sich die Rechte dieser Aussicht ziemlich gewiss sein. Im Senat ist ihre Mehrheit jedoch knapp, nur elf Stimmen, und manche Senatoren werden nun Minister. Für Meloni bleibt also ein Restrisiko, zumal nicht alle Parteien gleich zufrieden sind mit der Verteilung der Ministerien.

Die große Unsicherheit: Berlusconi fühlt sich gedemütigt. Bleibt er auf Linie?

Der größte Unsicherheitsfaktor ist Forza Italia. Berlusconi erträgt es schlecht, dass er jetzt auch offiziell nicht mehr Patron ist im Lager, das er 1994 bei seinem Einstieg in die Politik selber gegründet hatte. Mehr noch: Giorgia Meloni, die er immer wie ein politisches Leichtgewicht behandelt hatte, wies ihm nun während der Vorverhandlungen über die Regierung unmissverständlich seine neue, stark gestutzte Rolle zu: Sie weigerte sich, dessen überzogene Forderungen hinzunehmen. Sie sei nicht erpressbar, ließ sie ausrichten. Leute, die Berlusconi gut kennen, erzählten in den Medien, er habe Melonis kalte Schulter als Schmach empfunden und sich rächen wollen. Eine Zeit lang sah es so aus, als könnte die Rechte an ihren internen Animositäten scheitern.

In der Summe hat Meloni aber wahrscheinlich von den jüngsten Ausfällen Berlusconis profitiert, vor allem von denen über dessen offenbar wiederhergestellte Freundschaft zu Putin und über die Geringschätzung für den ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij. Er schwächte damit sich selbst. Plötzlich stand Meloni im rechten Lager als alleinige Garantin für die Treue zur euro-atlantischen Linie Italiens da. Sie fühlte sich nun auch frei, die Ministerliste fast nach Belieben zu komplettieren. Alle Wünsche Berlusconis erloschen fast automatisch.

Forza Italia ist zerrissen in zwei Lager: Eines steht Meloni nahe, das andere mag sie nicht so gerne. Die neue Premier kann sich der Einstimmigkeit ihrer Partner also nicht sicher sein, nicht auf Dauer.

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