Süddeutsche Zeitung

Atomabkommen:USA und Europäer fordern Iran zu Kurswechsel auf

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Die Außenminister der USA, Deutschlands, Großbritanniens und Frankreichs verweisen auf die "neuen diplomatischen Möglichkeiten" mit Bidens US-Regierung. Diese sagt einem Treffen mit den Vertragspartnern des Atomabkommens zu.

Von Paul-Anton Krüger, München

Iran rückt seit Mai 2019 in immer neuen Schritten von den Bestimmungen des Atomabkommens ab, das im Sommer 2015 in Wien geschlossen worden war. Zumeist haben die Außenministerien in Berlin, London und Paris in Erklärungen dieses Vorgehen verurteilt, das Irans Außenminister Mohammad Dschawad Sarif damit rechtfertigt, dass sich nicht nur die USA unter Präsident Donald Trump aus dem Abkommen verabschiedet hätten, sondern auch die drei europäischen Vertragspartner (E3) ihre Verpflichtungen nicht einhielten.

Es ist ein Signal, wie ernst die Krise um das Atomabkommen sich zugespitzt hat, dass am Donnerstag der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian in Paris seinen britischen Kollegen Dominic Raab und Bundesaußenminister Heiko Maas empfing und die drei sich per Videokonferenz mit dem neuen Ressortchef in Washington, Tony Blinken, abstimmten. Zuvor hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel bereits in einem Telefonat mit Präsident Hassan Rohani "positive Signale" Irans gefordert, um das Atomabkommen erhalten zu können. Auch EU-Ratspräsident Jean Michel rief Rohani am Donnerstag an, wie die EU mitteilte.

Die Außenminister erklärten am Abend ihr gemeinsames grundlegendes sicherheitspolitisches Interesse, den Atomwaffensperrvertrag zu erhalten und sicherzustellen, dass Iran niemals eine Kernwaffe entwickeln kann. Die Europäer begrüßten die erklärte Absicht der USA, zur Diplomatie mit Iran zurückzukehren. Ziel sei, dass Iran wieder uneingeschränkt seine Verpflichtungen einhalte.

US-Außenminister Blinken bekräftigte die Linie von Präsident Joe Biden: Wenn Iran das Atomabkommen wieder strikt befolge, "werden die USA gleichziehen; die USA sind bereit, mit Iran entsprechende Gespräche aufzunehmen". Die Minister riefen Iran eindringlich auf, nicht wie angekündigt die Kontrollen durch die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) zu beschränken. Teheran solle "die Konsequenzen einer so schwerwiegenden Maßnahme abwägen, insbesondere jetzt, da sich neue diplomatische Möglichkeiten eröffnen".

Später erklärten die USA, eine Einladung des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell zu einem Treffen mit Vertretern des Irans und der übrigen sechs Vertragsstaaten anzunehmen, um gemeinsam nach einer diplomatischen Lösung zu suchen. Das bestätigte der Sprecher des Außenministeriums in Washington, Ned Price, am Donnerstag.

Iran soll nicht unentdeckt eine Atombombe bauen können

Am Dienstag hatte die IAEA mitgeteilt, dass Iran die "freiwilligen Transparenzmaßnahmen" aus dem Atomabkommen "einschließlich des Zusatzprotokolls" nicht mehr umsetzen wird. Was sich anhört wie das Kleingedruckte in einer diplomatischen Note ist politisch eine Bombe und gefährdet den Bestand des Abkommens. Iran "spielt mit dem Feuer", warnte Maas.

Der Vertrag stützt sich auf mehrere Säulen, die es Iran unmöglich machen sollen, unentdeckt eine Atombombe zu bauen. Das eine sind Beschränkungen für Irans Atomindustrie: Limits für die Zahl der Zentrifugen, mit denen Uran angereichert werden kann, Grenzen für die Menge des Stoffs und dessen Anreicherungsgrad. Gegen all dies verstößt Iran bereits, ebenso wie gegen das Verbot, Uranmetall herzustellen - das Verfahren taugt auch dazu, den Kern eines nuklearen Sprengsatzes herzustellen.

Das andere ist die beispiellos enge Überwachung der iranischen Atomanlagen. Sie soll sicherstellen, dass Teheran nicht heimlich ein militärisches Atomprogramm entwickeln kann. Und da kommt das Kleingedruckte ins Spiel: Die freiwilligen Maßnahmen und das Zusatzprotokoll zu Irans Überwachungsabkommen mit der IAEA sind die Mittel, maximale Transparenz zu gewährleisten.

Teheran will nur Routinekontrollen zulassen

Sie geben den Inspektoren der IAEA das Recht, jegliche Anlagen zu kontrollieren, bei denen Verdacht besteht, dass dort untersagte Aktivitäten stattfinden. Diese Kontrollrechte sind umso bedeutender, da Iran ja bereits gegen viele andere Beschränkungen verstößt. Doch Teheran will künftig nur noch die Routine-Überwachung zulassen.

Iran hat laut der IAEA zumindest bis 2003 ein koordiniertes Programm betrieben, das eine "Reihe von Aktivitäten umfasst, die relevant sind für die Entwicklung eines nuklearen Sprengkörpers". Nach Hinweisen aus Dokumenten, die der israelische Geheimdienst aus Iran entwendet haben soll, hatte die IAEA Zugang zu mehreren Einrichtungen verlangt - und in zwei Fällen Spuren radioaktiven Materials gefunden. Deren Existenz hat Iran bislang nicht aufgeklärt.

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