Süddeutsche Zeitung

Aufarbeitung der Hochwasserkatastrophe:Laschet soll in den Zeugenstand

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Die Opposition von SPD und Grünen sucht nach Fehlern im Krisenmanagement der NRW-Regierung - vor und während der Flut im Juli.

Von Christian Wernicke, Düsseldorf

Regierungschef Armin Laschet und mehrere Minister der Regierung von Nordrhein-Westfalen müssen noch in diesem Jahr als Zeugen vor einem Untersuchungsausschuss aussagen, um eventuelle Fehler beim Krisenmanagement während der Flutkatastrophe im Juli dieses Jahres aufzuklären. Das beschloss das neue Kontrollgremium bei seiner ersten Sitzung am Freitagnachmittag im Düsseldorfer Landtag auf Antrag von SPD und Grünen. Auf Verlangen der parlamentarischen Opposition soll die schwarz-gelbe Landesregierung umfangreiche Akten aus den Krisentagen zur Einsicht freigeben.

Die Opposition will unter anderem ausleuchten, ob die NRW-Landesregierung die Bürger in den von Starkregen betroffenen Gebieten nicht deutlich früher hätte warnen können. Bei dem extremen Hochwasser am Südrand des Ruhrgebiets sowie im Rheinland zwischen der Eifel und Köln am 14. und 15. Juli waren 49 Menschen ums Leben gekommen. Die Sachschäden hatte die Regierung später auf 13 Milliarden Euro geschätzt. Außerdem bemängelten SPD und Grüne, dass die Regierung während der gesamten Katastrophe nie einen Krisenstab auf Ministerebene einberufen hatte. Stattdessen hatte eine "Koordinierungsgruppe" im Düsseldorfer Innenministerium die Noteinsätze gesteuert.

Stefan Kämmerling, der SPD-Obmann im Untersuchungsausschuss, verlangte unverzügliche Transparenz. Allen voran das Innen- und das Umweltministerium, aber auch Talsperren- und Wasserverbände sollten angewiesen werden, die verlangten Akten zur Verfügung zu stellen. Der Ausschuss hat nur sieben Monate Zeit, wegen der Landtagswahlen im Mai 2022 endet dann sein Mandat. "Die Bürger erwarten von uns schnelle Antworten, dies ist auch ihr Untersuchungsausschuss", sagte Stefan Kämmerling, der SPD-Obmann im Gremium. Der Ausschusssprecher der Grünen, der frühere NRW-Umweltminister Johannes Remmel, wies Vorwürfe von CDU und FDP zurück, die Untersuchung werde für den heraufziehenden Landtagswahlkampf missbraucht: "Wir konnten uns nicht aussuchen, wann eine solche Katastrophe passiert."

Zu einer der nächsten Sitzungen will die Opposition unter anderem den TV-Meteorologen Jörg Kachelmann einladen. Kachelmann hatte NRW-Innenminister Herbert Reul im Juli per Twitter einen "Lügner" geziehen, nachdem der CDU-Politiker erklärt hatte: "Das Wesen von Katastrophen ist, dass sie nicht vorhersehbar sind. Das Wesen von Naturkatastrophen ist, dass sie erst recht nicht vorhersehbar sind." Als weitere Sachverständige möchte der Ausschuss die britische Hydrologin Hannah Cloke hören, die angesichts der verheerenden Folgen der Fluten von einem "monumentalen Systemversagen" beim Krisenmanagement gesprochen hatte. Cloke hatte zuvor beim Aufbau des europäischen Hochwasser-Warnsystems EFAS mitgearbeitet.

Geklärt werden soll zudem, wann und wie Reul und Umweltministerin Ursula Heinen-Esser mit Ministerpräsident Laschet die Krisenlage erörterten. Der Ausschuss verfügte, sämtliche Telefondaten der Minister zu sichern. Auch ihre Nachrichten aus Messenger-Diensten dürften keinesfalls gelöscht werden. Einbestellt wird auch Verkehrsminister Hendrik Wüst, der Laschet im Oktober als Regierungschef ablösen soll.

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