Süddeutsche Zeitung

EU-Sondergipfel:In Brüssel regt sich Widerstand gegen Tusks Personalvorschlag

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Von Karoline Meta Beisel und Alexander Mühlauer, Brüssel

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist vor Beginn des EU-Sondergipfels am Sonntagabend in ihrer eigenen Parteienfamilie auf massiven Widerstand gegen ihren Plan gestoßen, den Sozialdemokraten Frans Timmermans als neuen Chef für die EU-Kommission vorzuschlagen. "Wir werden das Amt des Kommissionspräsidenten nicht so einfach aufgeben", sagte der irische Premierminister Leo Varadkar vor Beginn des Gipfeltreffens in Brüssel. Lettlands Premier Krišjānis Kariņš, ebenfalls Mitglied der Europäischen Volkspartei (EVP), sagte, es brauche für die zu vergebenden Spitzenjobs eine Balance aus Herkunft, Partei und Geschlecht. "Diese Balance sehe ich noch nicht."

Damit könnte es für Merkel schwer werden, das Vorhaben durchzusetzen, das sie am Rande des G20-Gipfels im japanischen Osaka gemeinsam mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, Spaniens Premier Pedro Sánchez und dem niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte abgesprochen hatte. Demnach hätte das Amt des Kommissionspräsidenten an die Sozialdemokraten gehen sollen. Zuvor hatte sich abgezeichnet, dass der EVP-Spitzenkandidat Manfred Weber (CSU) im Kreis der Staats- und Regierungschefs keine Mehrheit bekommen würde.

Im Gegenzug hätte die EVP das Amt des EU-Außenbeauftragten und des EU-Parlamentspräsidenten bekommen; die Liberalen sollten nach dieser Lösung den Ratspräsidenten stellen. Schon am Samstag war gegen diesen Plan auch von Seiten der vier Staaten der Visegrád-Gruppe Ungarn, Tschechien, Slowakei und Polen Kritik laut geworden.

Gegen Timmermans als Kommissionspräsidenten gibt es in einigen östlichen Ländern Widerstand, weil der frühere niederländische Außenminister als Vizepräsident der EU-Kommission die Rechtsstaatsverfahren gegen Polen und Ungarn betreibt. Ein ungarischer Regierungssprecher hatte erklärt, weder Timmermans noch Weber seien für die Visegrád-Staaten akzeptabel.

Wegen der vielfältigen Streitigkeiten musste der Beginn des Gipfels um mehrere Stunden verschoben werden. "Das werden keine sehr einfachen Beratungen, um es mal vorsichtig zu sagen", sagte Merkel bei ihrer Ankunft im Brüsseler Ratsgebäude. Die Kanzlerin appellierte an die anderen Staats- und Regierungschefs, einen "interinstitutionellen Konflikt" mit dem Europäischen Parlament zu vermeiden, das den Kommissionspräsidenten am Ende wählt.

Um die Nachfolge von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte sich auch die dänische Liberale Margrethe Vestager beworben. Ihr wurde vor dem EU-Sondergipfel aber vor allem von Seiten der EVP vorgeworfen, bei der Europawahl nicht als alleinige Spitzenkandidatin der Liberalen, sondern als Teil eines Teams angetreten zu sein. Frankreichs Präsident Macron sagte bei seiner Ankunft in Brüssel, dass zwei der Präsidenten-Posten von Kommission, Europäischem Rat, Europäischer Zentralbank und des Außenbeauftragten an Frauen gehen müssten.

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Quelle:
SZ vom 01.07.2019
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