Süddeutsche Zeitung

Bundeswehreinsatz:Lammert schließt Abzug der Bundeswehr aus İncirlik nicht aus

Lesezeit: 2 min

Von Robert Roßmann, Berlin

Der Streit über das Besuchsverbot für deutsche Abgeordnete bei Bundeswehrsoldaten auf der türkischen Luftwaffenbasis İncirlik verschärft sich. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) schloss am Montag einen Abzug der Soldaten aus der Türkei nicht mehr aus.

"Vielleicht muss noch einmal verdeutlicht werden, dass der Bundestag dem Einsatz deutscher Soldaten im Ausland grundsätzlich nur zustimmt, wenn sie im Rahmen internationaler Missionen dort gebraucht werden und willkommen sind", sagte Lammert der Süddeutschen Zeitung. Jeder müsse wissen, dass die Soldaten "dort, wo sie nicht willkommen sind, nicht dauerhaft bleiben werden". Zugleich bemühte sich der Bundestagspräsident jedoch, die Situation nicht noch weiter zuzuspitzen. Er wies darauf hin, dass die von ihm genehmigte Reise deutscher Abgeordneter nach İncirlik "ja nicht unmittelbar" bevorstehe. Damit signalisierte Lammert, dass es noch Zeit gibt, den Konflikt mit der Türkei einvernehmlich zu lösen.

Aussperrung deutscher Abgeordneter könne nicht ohne Folgen bleiben

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte sich am Wochenende bei einem Gespräch mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan erfolglos für ein Ende des Besuchsverbots eingesetzt. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte am Montag, Merkel und Erdoğan hätten "ein erstes konstruktives Gespräch" geführt, der Dissens sei "nicht ausgeräumt", es werde aber "weitere Arbeiten an diesem Thema geben".

Auch die SPD ist über das Verhalten der Türkei verärgert. "Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee", sagte SPD-Generalsekretärin Katarina Barley der SZ. Deshalb sei es "eine Selbstverständlichkeit, dass deutsche Abgeordnete unsere Soldaten im Ausland besuchen". Merkel müsse "dem türkischen Präsidenten jetzt klarmachen, dass eine weitere Weigerung aus deutscher Sicht nicht ohne Folgen bleiben kann - sollte sich die Türkei weiter gegen einen Besuch sperren, ist der Abzug unserer Truppen eine denkbare Option".

Lammert verteidigt Bundestagsabgeordnete

Anlass des Besuchsverbots ist die Armenier-Resolution des Bundestages. Das Parlament hatte im Juni die Vertreibung und Vernichtung von mehr als einer Million ethnischer Armenier durch das Osmanische Reich als Völkermord verurteilt. Dies hatte zu heftigen Protesten geführt. Türkischstämmige Bundestagsabgeordnete erhielten Morddrohungen. Präsident Erdoğan beschimpfte die Abgeordneten, bezweifelte ihre türkische Abstammung und verlangte deshalb sogar einen Bluttest.

Lammert tritt seit Jahren vehement für die Rechte seiner Abgeordneten ein. Auch in der Armenier-Debatte hatte er deutliche Worte gefunden. "Die zum Teil hasserfüllten Drohungen und Schmähungen" gegen Bundestagsabgeordnete seien "leider auch durch Äußerungen hochrangiger türkischer Politiker" befördert worden, klagte Lammert damals und sagte mit Blick auf Erdoğan: "Dass ein demokratisch gewählter Staatspräsident im 21. Jahrhundert seine Kritik an demokratisch gewählten Abgeordneten des Deutschen Bundestages mit Zweifeln an deren türkischer Abstammung verbindet, ihr Blut als 'verdorben' bezeichnet, hätte ich nicht für möglich gehalten."

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Quelle:
SZ vom 12.07.2016
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