Süddeutsche Zeitung

Brexit:Barnier setzt London in den Brexit-Verhandlungen unter Druck

Lesezeit: 2 min

Von Alexander Mühlauer, Brüssel

Der Brexit-Chefunterhändler der EU, Michel Barnier, hat den Druck auf die britische Regierung deutlich erhöht. Sollten die Verhandlungen über einen EU-Austritt des Vereinigten Königreichs in diesem Tempo weitergehen, könnten die von London gewünschten Gespräche über ein Handelsabkommen nicht wie geplant im Herbst beginnen, erklärte Barnier am Donnerstag in Brüssel. Auch bei der dritten Verhandlungsrunde in dieser Woche habe es "keinen durchschlagenden Erfolg bei den wichtigsten Themen" gegeben. Der britische Brexit-Minister David Davis sprach von "erheblichen Differenzen".

Mehr als ein Jahr ist vergangen, seit die Mehrheit der Briten für den Austritt aus der Europäischen Union gestimmt hat. Vor fünf Monaten reichte Premierministerin Theresa May das offizielle Austrittgesuch ein. Am 30. März 2019 wird Großbritannien nicht mehr Mitglied der EU sein. Bis dahin wollen beide Seiten eine umfassende Vereinbarung aushandeln.

London dringt darauf, schon jetzt über die künftigen Beziehungen zu sprechen, vor allem die wirtschaftlichen. Doch dazu ist die EU nur bereit, wenn drei Themen geklärt sind: die Rechte der Bürger in den jeweiligen Territorien, die finanziellen Verpflichtungen und die Irland-Frage. Erst wenn die Staats- und Regierungschefs der EU "ausreichenden Fortschritt" in diesen Punkten sehen, darf Barnier laut Verhandlungsmandat über das künftige Verhältnis sprechen.

Keine Annäherung bei den Finanzen

Die dritte Brexit-Runde in Brüssel zeigte, dass die Unterhändler davon noch weit entfernt sind. Es gibt nicht nur fundamentale Unterschiede in der Rechtsauffassung, auch "Vertrauensbildung ist noch notwendig", mahnte Barnier. Er spüre zwar eine "gewisse Nostalgie" auf britischer Seite, aber man könne nicht die Vorzüge des Binnenmarktes behalten, ohne EU-Mitglied zu sein. Davis entgegnete, "man sollte den freien Markt nicht mit Nostalgie verwechseln".

Die Forderung der EU, dass die Rechte ihrer Bürger auch nach einem Brexit unter der Kontrolle des Europäischen Gerichtshofs stehen, lehnt London weiter ab. Auch beim Streitpunkt, wie viel Großbritannien der EU finanziell schuldet, gab es keine Annäherung. Im Gegenteil: Die britische Seite erklärte, dass sie nach dem Brexit keine weiteren Zahlungen in den EU-Haushalt leisten werde.

Barnier erinnerte daran, dass London noch im Juli anerkannt habe, dass es "Verpflichtungen über das Brexit-Datum hinaus" gebe. Dies scheint offenbar nicht mehr zu gelten. "Die EU verlangt vom britischen Steuerzahler sehr viel Geld", sagte Brexit-Minister Davis. In Brüssel ist von etwa 60 bis 100 Milliarden Euro die Rede. Lediglich in der Irland-Frage gab es einen Erfolg. Die Briten garantierten, dass sie EU-Bürger an der irisch-nordirischen Grenze nicht kontrollieren würden.

Davis forderte insgesamt flexiblere und kreativere Lösungen, es sei Sache der EU-Kommission, da "etwas nachzuziehen". Schließlich gehe es um Menschen und nicht um Verfahren. Barnier sagte, dass er dazu bereit sei, doch erst müssten "eindeutige Vorschläge" aus London kommen.

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Quelle:
SZ vom 01.09.2017
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