Süddeutsche Zeitung

Südkaukasus:Letzter Flüchtlingsbus verlässt Bergkarabach

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In Armenien sind nach dem Angriff durch Aserbaidschan mehr als 100 000 Menschen angekommen. Dass sich das Land nun dem Internationalen Strafgerichtshof anschließen will, ärgert Moskau.

Nach der Rückeroberung der Südkaukasusregion Bergkarabach durch Aserbaidschan hat nach armenischen Angaben der vorerst letzte Flüchtlingsbus das Konfliktgebiet verlassen. Damit seien nun 100 514 zwangsweise umgesiedelte Bewohner in Armenien angekommen, sagte Regierungssprecherin Naseli Bagdassarjan. Einige Menschen verließen Bergkarabach auch mit Privatfahrzeugen.

Unterdessen sucht das Rote Kreuz mit Megafonen in den Straßen nach Zurückgebliebenen. Eine bettlägerige Frau sei ohne Vorräte so in einer Wohnung entdeckt worden, sagte Marco Succi vom Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) am Dienstag. Seinen Angaben zufolge halten sich in der Jahrzehnte von Armeniern bewohnten Stadt Stepanakert nur noch einige hundert Menschen auf. Auf den Straßen sei aserbaidschanische Polizei zu sehen. Strom und Wasser funktionierten. Er habe bislang nicht gesehen, dass aserbaidschanische Zivilisten in die verlassenen Wohnungen und Häuser gezogen seien.

UN-Beobachter stellen keine Schäden an der öffentlichen Infrastruktur fest

Die Vereinten Nationen teilten unterdessen mit, dass sich eine UN-Expedition am Sonntag selbst ein Bild von der Lage in der Region gemacht habe. Das Team habe keine Schäden an der zivilen öffentlichen Infrastruktur festgestellt, das gelte auch für Krankenhäuser, Schulen und Wohnungen sowie kulturelle und religiöse Gebäude. Geschäfte seien aber offenbar ausnahmslos geschlossen gewesen. In einem Beitrag auf der Plattform X begrüßte das Auswärtige Amt, dass Aserbaidschan den UN-Beobachtern Zugang zu Bergkarabach gewährt habe und forderte für diese eine "ständige Präsenz".

Zum Ärger Russlands ratifizierte das armenische Parlament am Dienstag das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs. Die Opposition boykottierte die Abstimmung. Das Gericht in Den Haag hatte unter anderem gegen Kremlchef Wladimir Putin Haftbefehl wegen Kriegsverbrechen in der Ukraine erlassen.

Armenische Politiker hatten nach Warnungen aus Moskau beteuert, dass sich die Anerkennung des Gerichts nicht gegen Russland richte. Demnach droht Putin dort keine Festnahme. Es gehe vielmehr darum, Verbrechen Aserbaidschans verfolgen zu lassen. Viele Menschen und Politiker in Armenien fühlen sich von ihrer Schutzmacht Russland im Stich gelassen.

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