Süddeutsche Zeitung

AfD:Ärger in der Wutpartei

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Die Attacken von Bundessprecher Jörg Meuthen haben die Vertreter des rechten Flügels kalt erwischt. Kaum ein Jahr vor der Bundestagswahl zeichnet sich in der AfD ein neuer Lagerstreit ab.

Von Markus Balser und Jens Schneider, Berlin

Es sollte nicht nur ein Terminhinweis werden. Eher schon eine Drohung. Im Machtkampf um die Zukunft der AfD kündigte das Lager von Björn Höcke diese Woche eine strategische Antwort auf die Wutrede von Parteichef Jörg Meuthen an. Am Samstagnachmittag will Thüringens AfD-Chef in Höxter vor 150 Anhängern ein Zeichen der Stärke setzen. Doch es läuft nicht gut für die Rechtsaußen. Statt Angst machte sich im Vorfeld Spott breit - selbst innerhalb der AfD. In der offiziellen Einladung an die Medien unterlief der Partei ein skurriler Lapsus: Sie verpasste Höcke einen alternativen Vornamen. Aus Björn wurde "Bernd" - und jener Fehler, mit dem die ZDF-Satiresendung "Heute-Show" Höcke schon seit Jahren quält.

Die ohnehin schlechte Stimmung im äußerst rechten Lager der AfD dürfte die Panne weiter drücken. Es herrsche gewaltiger Ärger bei Höcke und seinen Gefolgsleuten, heißt es. Die AfD war schon immer eine Partei der Wut. Sie hat immer wieder versucht, die Unzufriedenheit der Deutschen aufzunehmen und in Wählerstimmen umzuwandeln. Flüchtlingspolitik, Abgasskandal, Corona-Pandemie: Wo Ärger aufkam - die AfD war zur Stelle, um ihn zu instrumentalisieren. Doch seit Meuthen auf dem Sozialparteitag vergangene Woche in Kalkar die parteiinternen Gegner öffentlich attackierte, ist die Wut nun mitten in der AfD angekommen. Statt zu mobilisieren, lähmt sie die Partei.

Noch hat das rechte Lager nicht zurückgeschlagen

Die AfD steht gerade so schlecht da, wie schon lange nicht mehr. Die Umfragewerte brechen erstmals seit langem ein. Und kein Jahr vor der nächsten Bundestagswahl entbrennt ein neuer Lagerstreit in der AfD. Noch herrsche zwar verdächtige Ruhe nach dem Parteitag, sagt eine AfD-Spitzenkraft. Noch habe das äußerst rechte Lager nicht zurückgeschlagen. Doch niemand erwartet, dass das so bleibt.

Zumal Meuthen die Hoffnung seiner Gegner zerschlägt, er könnte nach dem Parteitag zurückrudern. Das Gegenteil ist der Fall. Meuthen verteidigt den Vorstoß gegenüber der Süddeutschen Zeitung und legt sogar nach: "Die intensive Diskussion zur Disziplinierung der Partei war notwendig und richtig", stellt Meuthen klar. "Kalkar war ein sehr erfolgreicher Parteitag. Wir haben mit Annahme des Leitantrags zur Sozialpolitik mit überwältigender Mehrheit unser Parteiprogramm vervollständigt und exzellente Personalnachwahlen zu Bundesvorstand und Bundesschiedsgericht vorgenommen." Damit verhärten sich die Fronten.

Ein explosives Gemisch im Machtkampf

Meuthens Zufriedenheit hat einen Grund. Denn die Wahlen zu Vorstandsposten und der Besetzung des wichtigen Bundesschiedsgericht gewannen allesamt Kandidaten aus seinem Lager. Der Parteichef baute damit seinen Einfluss im Bundesvorstand, dem wichtigsten Gremium der Partei, auf eine Zwei-Drittel-Mehrheit aus. Für seine Gegner aus dem äußersten rechten Lager wird es in den nächsten Monaten immer schwerer, ihm in den Strukturen der Partei das Leben schwer zu machen. Allerdings haben die Wahlen auch gezeigt: Der Riss geht mitten durch die Partei. Die Abstimmungsergebnisse offenbarten zwei fast gleich große Lager und damit ein explosives Gemisch im Machtkampf.

Meuthens Widersacher wirken dennoch konsterniert, der Frust ist ihnen noch jetzt, Tage nach dem Parteitag, anzumerken. Sie sind von seiner Attacke auf dem Parteitag in Kalkar kalt erwischt worden. Auch die Gegenspieler im Vorstand. Als erste fordert Alice Weidel nun offen von Meuthen eine Kurskorrektur: "Ich sehe in unserer Partei so viele Mitglieder mit echtem Herzblut, die für die anstehenden Wahlkämpfe bis in die Haarspitzen motiviert sind", sagt Weidel der SZ. "Dieses Potential muss man nutzen, Maßregelungen sind dabei nicht hilfreich." Der Parteitag habe deutlich gemacht, "dass wir, so kurz vor den entscheidenden Landtagswahlen und der Bundestagswahl, dringend einen innerparteilichen Zusammenhalt herstellen müssen", wolle die AfD erfolgreich sein.

Björn Höcke gilt als massiv geschwächt

Auf dem Parteitag selbst war die Gegenwehr weitgehend ausgefallen. Nur die zweite Reihe seiner parteiinternen Gegner meldete sich zu Wort, während ihn wichtige Landesvorsitzende wie der nordrhein-westfälische AfD-Chef Rüdiger Lucassen unterstützten. Die Fraktionschefin im Bundestag Alice Weidel schwieg, ihr Ko-Vorsitzender Alexander Gauland musste den Parteitag aus gesundheitlichen Gründen verlassen. Und auch Höcke schwieg bislang. Selbst Parteifreunde, die ihn schätzen, beschreiben ihn als einen Zauderer, der nur in politische Schlachten gehe, die er sicher gewinnen könne. Darauf konnte er sich in Kalkar nicht verlassen. Höcke gilt ohnehin als massiv geschwächt, seit sein rechtsextremer Weggefährte Andreas Kalbitz aus der Partei geflogen ist. Der hatte für den rechten Flügel im Hintergrund Absprachen getroffen und Mehrheiten organisiert.

Parteichef Meuthen hat sich zum Ziel gesetzt, Höcke - mit dem er einstmals sehr gern kooperierte - zu marginalisieren. Gern erinnert er in diesen Tagen daran, dass Höcke ja nur der Vorsitzende eines kleinen Landesverbands ist, er werde überschätzt. Höcke hätte sich zeigen und ein Zeichen setzen müssen, heißt es deshalb umso mehr aus dem Kreis der Gegenspieler Meuthens, so sei die Gegenwehr zu schwach gewesen.

Spätestens auf dem nächsten AFD-Parteitag könnte es zum Showdown kommen

Nun will sich das Lager sammeln, eine Gegenstrategie wird überlegt. Meuthens Rede werde Auswirkungen haben, heißt es. Vielleicht brauche der große Gegenschlag noch etwas Zeit. Spätestens auf dem nächsten Parteitag der AfD im Frühjahr könne es zum Showdown kommen.

Doch die nächsten Probleme für Höcke liegen viel näher. Am Freitag hob der Justizausschuss des Thüringer Landtags die Immunität Höckes auf. Damit können staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gegen ihn beginnen. Es geht um den Vorwurf der Volksverhetzung und Verleumdung.

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