Süddeutsche Zeitung

Aquarium in Berlin:"Unsere Plattenbauwohnung stand bis zum Knöchel unter Wasser"

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Als der Berliner Aquadom zerbarst, lief auch das benachbarte DDR-Museum voll. Geschäftsführer Quirin Graf Adelmann hat nun einen Millionenschaden - und ist dankbar für die "Unkaputtbarkeit" von Ost-Geräten.

Interview von Marcel Laskus

Gut einen Monat ist es her, dass das Riesenaquarium "Aquadom" in einer Berliner Hotel-Lobby geplatzt ist. Eine Million Liter Wasser ergossen sich auf die Karl-Liebknecht-Straße, Hunderte Fische starben, zwei Menschen wurden leicht verletzt. Noch immer suchen Experten nach einer Ursache für den Zusammenbruch, noch immer wird an der Unfallstelle aufgeräumt. Auch das benachbarte DDR-Museum, das durch die Wassermassen ebenfalls stark beschädigt wurde, kann laut seinem Leiter Quirin Graf Adelmann, 47, erst am 1. April wieder öffnen.

SZ: Herr Adelmann, das DDR-Museum befand sich fast Tür an Tür mit dem 15 Meter hohen Aquadom. War Ihnen je mulmig, so einen Nachbarn zu haben?

Quirin Graf Adelmann: Der Aquadom war eine schöne Attraktion. Ich hätte mir nie vorstellen können, dass es zu so einer Explosion kommt.

Sie sind nicht sauer? Immerhin bezeichnete der Architekt das Aquarium einst als unzerstörbar . Und dann so was.

Nein. Wir sind seit 2006 hier im Haus. Der Eigentümer des Aquadom ist auch unser Vermieter. Als wir während Corona schließen mussten, zeigte sich der Eigentümer sehr kulant. Auch jetzt ist die Zusammenarbeit sehr angenehm. Aber der Schaden wird siebenstellig sein. Für vieles werden hoffentlich die Versicherungen aufkommen.

Wie war es, als das Wasser kam?

Ich habe es aus der Presse erfahren, und bin morgens um halb sieben direkt hin. Das Museum liegt eine Etage unter dem Aquadom, etwas seitwärts vom Gebäude. Da habe ich gesehen, dass wir teilweise überschwemmt sind. Unsere WBS 70-Wohnung, eine nachgebaute DDR-Plattenbauwohnung mit Wohnzimmer, Küche, Bad, Kinderzimmer und Schlafzimmer der Eltern, stand bis zum Knöchel unter Wasser. Als Erstes habe ich den Wohnzimmertisch gepackt und rausgetragen, in dem ein kleiner Fernseher eingebaut ist, auf dem das Fernsehprogramm vom 5. März 1984 lief - zum Glück war die Elektronik so früh am Morgen noch ausgestellt. Dann habe ich Trocknungsfirmen angerufen, die zwei Stunden später da waren. Da waren wir langsam zuversichtlich, dass wir mit einem blauen Auge davonkommen.

Mussten Fische aus Trabis geborgen werden?

Zum Glück nicht. Das meiste Wasser ist zur Straße nach vorne raus, aber einiges ist auch durch Fahrstuhlschächte geflossen bis in das dritte Untergeschoss, auch rein zu uns. Das Problem ist, dass das Wasser unter den Estrich gesickert ist. Das Wasser hat einen Salzgehalt von etwa drei Prozent, da ist auch biologisches Material drin, Fischteilchen, Pflanzen. Und da hatten wir Sorge, dass es schädlich für den Boden sein könnte und zu Schimmel führt. Da ist die hohe Kunst, wie man dieses biologische Material unschädlich bekommt. Wir waren schnell. Trotzdem waren gut 600 unserer 1200 Quadratmeter Fläche betroffen.

DDR-Geräte galten per Gesetz als "unkaputtbar". Nun kam es für viele Ihrer 300 000 Exponate zum Härte- bzw. Nässetest.

Der Trabant ist gewissermaßen unkaputtbar, die Plattenbauten und vieles andere auch, das bei uns im Museum steht. Die Dinge wurden damals recht einfach, aber für eine langfristige Nutzung gebaut. Das ist heute anders. Da geht vieles nach zwei Jahren Garantie-Ablauf kaputt. Es ist ein generelles Problem, das wir in Konsumgesellschaften haben.

Über welches geborgene Stück waren Sie besonders froh?

Die Karat-Wohnzimmerschrankwand war schwer von der Wand zu entfernen. Da mussten wir am schnellsten reagieren, weil das Wasser direkt darunter eindrang. In der Schrankwand standen zwei Fernseher, DDR-Alkoholika, damals verbotene Literatur. Typische Dinge eben, die man in so einer Schrankwand hatte. Zum Glück alles unbeschädigt.

Zum Leben in der DDR gehörte es, zu improvisieren. Gelang das nach dem Unfall?

Würde ich schon sagen. Ich bin erst 1993 von Frankreich nach Ost-Berlin gezogen, habe also seitdem einige nachwendliche Ost-Erfahrungen gesammelt. In der DDR mussten die Menschen einander helfen. Die meisten unserer Mitarbeiter kommen aus dem Osten. An ihnen sehe ich die Einstellung: nach vorne schauen, das Beste draus machen. Jetzt nutzen wir die Zeit auch, um einen Ausstellungsteil, der gar nicht betroffen ist, zu sanieren. Da kommt ein Stück der Berliner Mauer rein. Wir machen aus der Katastrophe etwas Gutes.

Sind Sie froh, nie ein Aquarium ins Museum gebaut zu haben? Immerhin bekamen die in DDR-Wohnzimmer-Aquarien beliebten Guppy-Fische in den 70er-Jahren sogar eigene Briefmarken.

Das lassen wir lieber. Wir haben zu wenig Tageslicht, und das bräuchte es dafür. Außerdem gäbe es sicher viel Kritik, im Museum lebende Tiere zu halten.

Noch ist unklar, ob der Aquadom wiederaufgebaut wird. Wie fänden Sie das?

Ich fände es gut, wenn das Aquarium wiederaufgebaut würde. Es war einfach ein toller Ort für alle Besucher.

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