Süddeutsche Zeitung

Theater:Scheu als Chance

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Billie Zöckler war Klosterschülerin und Cutterin, ehe sie als treuherzige Sekretärin in der Dietl-Serie berühmt wurde. Nun steht sie in der Komödie im Bayerischen Hof auf der Bühne. Eine Begegnung.

Von Barbara Hordych

Kann ein Name eine Haltung sein? Wenn er selbst gewählt ist wie bei Billie Zöckler, schon. "Ich war als junges Mädchen schüchtern und scheu, flüchtete mich ins Kino, zu Wildwestfilmen. Da konnten sich die Helden so toll durchschießen, wie Billy the Kid. Das wollte ich auch. Also nannte ich mich Billie statt Sibylle." Die Entscheidung traf sie mit 13 Jahren - kurz bevor Billie Zöckler eine andere Entscheidung fällte: Sie wollte ins Klosterinternat gehen. "Ich habe eine eher unglückliche Kindheit erlebt. Eine, die in den Wirtschaftswunderjahren, also in den Fünfzigerjahren, für viele typisch war. Die Eltern waren ständig mit Geldverdienen beschäftigt, die Kinder, also mein Bruder und ich, liefen so nebenbei."

Beim Treffen im Bayerischen Hof spricht Billie Zöckler mit ihrer charakteristischen Kieksstimme, lässt ihr warmherziges Lachen hören und die eindrucksvollen Augen rollen. Die sind so etwas wie ihr Markenzeichen, auch jetzt, mehr als 30 Jahre nach ihrem Durchbruch als Schauspielerin in der Rolle von Baby Schimmerlos' Sekretärin Edda Pfaff in Helmut Dietls Achtziger-Jahre-Serie "Kir Royal". Die roten Haare waren eine Perücke, die langen, grün lackierten Fingernägel gehörten einem Double. "Ich konnte nur im Dreifingersystem tippen, im echten Leben wäre ich als Sekretärin eine Katastrophe gewesen", erinnert sich Zöckler.

An diesem Mittwoch, 10. Januar, wird sie bei der München-Premiere in der Komödie im Bayerischen Hof "Röschen", die Ehefrau von Jochen Busse spielen. Wieder ein wenig naiv, wieder gutgläubig und warmherzig auch im größten Schlamassel. "Ich spiele eine Ehefrau, die von ihrem Mann so sehr geliebt wird, dass er es nicht übers Herz bringt, ihr zu gestehen, dass er pleite ist", sagt Zöckler.

Um ihr teure Wünsche wie Kreuzfahrten, Designerkleidung und ein Ferienhaus zu ermöglichen, leiht sich Busse als arg gebeutelter Unternehmer Hasso Krause nicht nur Geld, sondern nimmt auch die abstrusesten Jobs an: Er steht als Werbe-Hühnchen im Ganzkörperkostüm am Imbiss und nimmt als vermeintlicher Auftragskiller einen Mord an. Für die Münchner Premiere hat sich das Ensemble noch etwas Besonderes einfallen lassen. "Überall spreche ich die Figur der Ehefrau hochdeutsch. Doch für München hat sich Jochen Busse gewünscht, dass ich das ,Röschen' im münchnerisch-bairischen Dialekt spreche."

München hat die 68-Jährige nie verlassen. "Ich bin schon durch viele Stadtteile gestreift", sagt sie. Aufgewachsen ist Zöckler in Neuhausen, später wohnte sie im Glockenbachviertel, aktuell lebt die kinderlose Schauspielerin in Schwabing. "Einmal war ich kurz davor, nach Berlin zu ziehen, dann kam mir aber die Liebe dazwischen und ich blieb." Aber da war noch dieser "Ausreißer" ins Klosterinternat. Dort wurde der Vorname "Billie" zwar anstandslos akzeptiert.

Trotzdem hielt die Schule nicht, was sich die junge Sinnsuchende mit dem starken Wunsch, "ein guter Mensch zu werden", von ihr versprach. "Wenn ich die Schwester Oberin fragte, wie das denn ginge, mit dem Glauben, dann antwortete die mir, dass sie für meine Seele beten würde, damit sie nicht zum Teufel fahre." Enttäuscht verließ sie nach zwei Jahren das Internat, kehrte nach München zurück. Machte die Bekanntschaft der "Gammler" am Monopteros - "so nannte man die damals tatsächlich", kichert Zöckler.

Aber ein anständiger Beruf sollte ja schon sein. Also begann die Tochter eines Dokumentarfilm-Produzenten eine Ausbildung als Cutterin. Wirkte aber parallel als Schauspielerin bei Projekten von Alexeij Sagerers "Prozessionstheater" und dem Theaterkollektiv "Rote Rübe" mit, das hauptsächlich sozialkritische Themen auf die Bühne brachte und Mitte der Siebzigerjahre als erfolgreichste freie Theatergruppe der Bundesrepublik Deutschland galt. "Doch das gab zu wenig Geld, also arbeitete ich zwischendurch immer wieder als Cutterin weiter."

Scheu und schüchtern, wie passt das mit der Leidenschaft für die Bühne zusammen? "In meinem Fall sehr gut, auch wenn es kurios klingt", sagt Zöckler. Denn sobald sie in einer Rolle auf der Bühne oder vor der Kamera stehe, fühle sie sich sicher, habe sie einen Schutzschild. "Das war bei mir schon als Kind so. Als Fünfjährige ging ich von Haus zu Haus und trug für zehn Pfennige drei Lieder vor, die ich singen konnte."

"Du merkst, dass du alt wirst"

Endgültig Schluss mit der Arbeit als Cutterin war nach dem Engagement bei Helmut Dietl. Der war auf sie aufmerksam geworden durch ihre Rolle als "Maria Schrillmann" in der schwarzen Musikkomödie "Im Himmel ist die Hölle los". Helmer von Lützelburgs ahnungsvolle Mediensatire beschäftigte sich bereits 1984 mit dem noch jungen Gewerbe des Privatfernsehens. Neben Dirk Bach als Showmaster Willi Wunderlich, der das Städtchen Käseburg zum Kochen bringt, spielte auch Kurt Raab als Intendant mit. Der gab Dietl, als er die Besetzung für seine Serie zusammenstellte, den Tipp, sich die junge Schauspielerin aus München anzusehen, die sich so herrlich komisch mit allen Mitteln um den vakanten Traumjob als Showassistentin bewirbt. "Dietl schaute sich den Film an, lud mich zum Casting ein, und ich bekam die Rolle", erzählt Zöckler. Das sei so ein Glücksfall, wie er im Leben einer Schauspielerin nicht oft passiere.

Nach "Kir Royal" hatte sie einen Namen. Und in Edda eine Art "Zwilling", auf den sie ständig angesprochen wurde. Es folgten Filmrollen in deutschen Kinokomödien wie Doris Dörries "Geld" oder Peter Timms "Go Trabbi Go". Und Fernsehrollen wie etwa in der deutsch-italienischen Serie "Die Kinderklinik", in der sie in den Neunzigerjahren eine rauchende Nonne verkörperte, was der ehemaligen Klosterschülerin "besonders" gefiel. Und dann passierte ihr das, wovor alle Schauspielerinnen Angst haben: "Du merkst, dass du alt wirst. Und dass man dir das Alter ansieht. Du bist an einem Punkt angelangt, an dem endgültig ein anderer Lebensabschnitt beginnt."

Da nicht "verbittert" zu sein, sondern positiv zu bleiben, sei wesentlich. Geholfen habe ihr in den vergangenen zehn Jahren die Arbeit am Theater, an der Komödie in Düsseldorf und in Köln sowie am Münchner Metropoltheater. Und jetzt das Röschen im "Pantoffel-Panther", eine "herrliche Klamotte", die bereits erfolgreich in Bonn, Berlin, Hamburg, Bielefeld und Basel lief. Zwei Monate wird die Produktion nun in München bleiben, dann geht es weiter. Zum Schluss werden es zweieinhalb Jahre gewesen sein. "Das ist für mich selbstverständlich toll", freut sich Zöckler. Danach werde sie einige Jahre keine finanziellen Sorgen mehr haben. Ganz ohne Naivität.

Der Pantoffel-Panther ; Premiere am Mittwoch, 10. Januar, 19.30 Uhr, Komödie im Bayerischen Hof, Karten hier erhältlich

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SZ vom 09.01.2018
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