Süddeutsche Zeitung

SZ-Adventskalender:"Ich hatte ja keine Ersparnisse mehr. Ich bin so unglaublich dankbar dafür"

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Wenn es alleine nicht mehr geht, dann hilft der Adventskalender der Süddeutschen Zeitung. Vier Menschen berichten über die Chancen, die das Hilfswerk ermöglichte. Wie ist es ihnen ergangen? Und was bedeutet für sie die Hilfe?

Von Thomas Anlauf, Bernd Kastner, Sven Loerzer und Monika Maier-Albang, München

Es war ein stilles Weihnachtsfest vergangenes Jahr, und viele hofften, dass ein Jahr später die Corona-Pandemie zu Ende sein wird. Doch inzwischen prägen die Auswirkungen das Leben vieler Menschen, sie haben Angehörige verloren, die Krankheit in ihren furchtbaren Auswirkungen erlebt. Viele Existenzen stehen auf dem Spiel, ganz besonders schwer leiden alte, kranke und behinderte Menschen, wie auch Kinder und Jugendliche unter den Folgen der Bekämpfung der Pandemie.

Tausenden von Menschen in München und in der Region war das Engagement der SZ-Leser für den "Adventskalender für gute Werke der Süddeutschen Zeitung" in diesem schwierigen zweiten Corona-Jahr eine wichtige Hilfe. Eine Woche vor dem Start der 73. Spendenaktion blickt das Hilfswerk noch einmal zurück auf vier Schicksale aus den Schwerpunktthemen des vergangenen Jahres: Wie ist es den Menschen ergangen, was bedeutet für sie die Hilfe?

Dank der Umschulung blickt Alexandra W. optimistisch in die Zukunft

"Die SZ-Leser haben uns ein wunderschönes Weihnachtsfest beschert", sagt Alexandra W., alleinerziehende Mutter von zwei Kindern. "Mein Kleiner hat einen Roller bekommen, der Große ein Fahrrad, jetzt kann er zur Schule fahren. Und ich habe mich gefreut, dass sie glücklich waren." Vor fünf Jahren ist ihr Vater und Lebensgefährte der Mutter im Alter von 44 Jahren gestorben. Für die kleine Familie begann damit eine schwere Zeit.

Alexandra W. litt unter den Folgen eines Bandscheibenvorfalls, der sie dazu zwang, ihren Beruf als Friseurin aufzugeben. Ihre beiden Söhne waren damals zweieinhalb und neun Jahre alt. Trotz der schwierigen Umstände konnte sie mit Hilfe des Jobcenters eine Umschulung in Teilzeit zur Kauffrau für Büromanagement beginnen. Die Corona-Pandemie machte auch das noch schwieriger: In der Zwei-Zimmer-Wohnung zu dritt, weil Schule und Kita geschlossen waren. Die Umschulung lief online weiter.

Inzwischen ist sie im Praktikum bei einem Unternehmen beschäftigt und hat gute Aussichten, 2023 übernommen zu werden, wenn sie ihre Umschulung erfolgreich abschließt. "Dann fallen wir endlich auch wieder aus Hartz IV heraus", sagt Alexandra W., die Leistungen seien schon knapp bemessen. "Aber wir sind zufrieden, wir haben alles, was wir brauchen." Ihr größter Wunsch sei, dass die Schulen nicht wieder zumachen, "das wäre wegen der Umschulung ein großes Problem für mich".

Mansoori S. geht es gesundheitlich wieder besser

Er hatte so viele Pläne. Mansoori S. wollte arbeiten wie früher, in seinem alten Leben in Afghanistan. Der heute 39-Jährige ist schließlich ausgebildeter Agrarwissenschaftler und Businessmanager, für die Bundeswehr hat er einst als Dolmetscher gearbeitet. Doch das war lebensgefährlich, schließlich war er damals regelmäßig im Fernsehen zu sehen als Helfer der deutschen Truppen. Mansoori S. erhielt regelmäßig Morddrohungen von den Taliban. Er und seine Familie mussten fliehen. So landete er schließlich in München, immerhin: Sie waren in Sicherheit.

Doch Unterstützung von seinem ehemaligen Arbeitgeber bekam er nicht. Seit Januar 2015 lebt Mansoori S. nun mit Frau und den vier Kindern in einer kleinen Wohnung, einen guten Job, der seiner Qualifikation entspricht, hat er noch immer nicht gefunden. Er arbeitete bei einer Mietwagenfirma, doch dann kam die Pandemie. Er jobbte dann als Paketzusteller, nebenbei schrieb er Hunderte Bewerbungen. Der Knochenjob machte ihn krank, die Schulter machte nicht mehr mit vom vielen Schleppen.

Immerhin: "Gesundheitlich geht es mir wieder ganz gut", sagt Mansoori S. heute, ein Jahr nach dem letzten Treffen. Damals erhielten er und seine Familie Unterstützung des SZ-Adventskalenders für die Kinder und die Wohnungseinrichtung. Doch bis heute kann sich die Familie kaum etwas leisten. Mansoori S. arbeitet nun als Schulbegleiter der Malteser und betreut einen Jungen mit Handicap im Gymnasium. Parallel versucht er es weiter, mit einem besseren Gehalt seine Familie gut und sicher ernähren zu können, doch immer wieder kommen trotz seiner Sprachkenntnisse Absagen. Aufgeben will er aber nicht: "Ich hoffe, dass ich eines Tages eine Stelle bekommen werde", sagt er.

Nach dem Tod ihres Mannes ist Gudrun S. nur noch von Katze Scarlet umgeben

Wolfgang S. ist nach Weihnachten gestorben. Im Krankenhaus, "leider", sagt Gudrun S., sie hätte ihn gern noch nach Hause geholt, und er hätte so gern noch nach Hause gewollt. Aber es ging nicht. So hat sie die Feiertage bei ihm im Zimmer verbracht, hat ihm das Essen gereicht, das ihm hingestellt worden sei: "eine Scheibe Toast und Wurst, die sich an den Rändern gewellt hat". Ein trauriges Fest. Und dann kam es, wie es oft ist, wenn ein Mensch stirbt, den Angehörige schwer gehen lassen können: Gudrun S. hatte sich mit "Auf Wiedersehen" verabschiedet, der Hund musste ja mal Gassi geführt werden. "Da hat er meine Hand so fest gedrückt, er wollte noch was loswerden", erinnert sich die 57-Jährige. Als sie unterwegs war, "kam schon der Anruf".

Und dann ist plötzlich alles ganz anders. Jahrelang hatte Gudrun S. ihren Mann gepflegt, mit dem sie mehr als 30 Jahre verheiratet war und der schon früh an Alzheimer erkrankte. Die Spende vom Adventskalender war eigentlich dazu gedacht, das Bad behindertengerecht auszubauen. Das war nun nicht mehr nötig. Gudrun S. konnte mit dem Geld den Bestatter bezahlen. "Ich hatte ja keine Ersparnisse mehr. Ich bin so unglaublich dankbar dafür", sagt sie. Momentan habe sie 150 Euro im Monat, mit denen sie auskommen müsse. "Es hat mir wirklich sehr geholfen."

Mittlerweile lebt sie in der Wohnung allein, die erwachsene Tochter, die das Asperger Syndrom hat, ist in eine betreute Wohngruppe umgezogen. Zwei Hunde, eine Schildkröte und die Katze Scarlet, die so viele Stunden schnurrend bei Wolfgang S. im Bett verbracht hat und die ihm eine Freude war, sind noch da und wollen umsorgt werden. Gudrun S. macht das gerne, und auch für sich selbst hat sie jetzt vorgeplant: Sie hat den Friedwald ausgesucht, in dem sie mal mit ihrem Mann bestattet sein möchte.

Die Kinder von Eva Stoll können endlich in echten Betten schlafen

"Sehr, sehr dankbar" sei sie, und dann fallen Worte wie "perfekt" und "wunderbar". Eva Stoll (Name geändert) ist froh und glücklich. Zusammen mit ihren drei erwachsenen Kindern ist sie vor gut einem halben Jahr umgezogen, endlich, in eine andere, viel größere Wohnung. Fünf Jahre lang lebte die Frau mit ihren drei erwachsenen Kindern, einer Tochter und zwei Söhnen, auf 40 Quadratmetern in eineinhalb Zimmern. Jetzt haben sie vier Zimmer. Da kam die Spende vom SZ-Adventskalender genau zur richtigen Zeit, sagt Eva Stoll. Denn so erfreulich der Umzug ist, er kostete auch Geld. Sie mussten die Wohnung erst mal streichen. Und dann brauchten sie eine Küche und wollten endlich mal Schreibtische haben und echte Betten für die Kinder.

Einiges fehle noch, erzählt die Mutter, zum Beispiel für sie selbst ein Bett, noch schlafe sie auf einer Couch. Auch ein Esstisch für die Küche wäre schön. Die noch benötigten Möbel wollen sie sich nach und nach zulegen, ein Anfang ist jedenfalls gemacht. Sie selbst, erzählt Eva Stoll am Telefon, habe jetzt auch eine Stelle gefunden, seit einem Monat arbeite sie im Lager eines Lieferdienstes. Das entzerre die Familiensituation weiter, weil nicht mehr alle den ganzen Tag in großer Enge beisammen sein müssen. Auch die Tochter, die unter großen gesundheitlichen Problemen litt und längere Zeit in einer Klinik war, besucht jetzt eine Schule, sie wolle später in der IT-Branche arbeiten. Vom Geld des Adventskalenders hat sie sich ein eigenes Notebook gekauft, das brauchte sie dringend für die Ausbildung. Als Familie wohnen sie weiterhin zusammen, sagt die Mutter. "Wir sind unzertrennlich."

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