Süddeutsche Zeitung

SZenario:"Thomas spielt eine echte Kackbratze"

Lesezeit: 2 min

Der Berliner Regisseur Christian Petzold stellt im City-Kino seinen neuen Kinofilm "Roter Himmel" vor - und zeigt dabei für die Münchner Filmkollegen ebenso viel Begeisterung wie für seinen neuen Hauptdarsteller.

Von Josef Grübl

Wenn Münchner Filmmenschen über Berliner Filmmenschen sprechen, hat man oft den Eindruck, dass da jemand verdammt eifersüchtig ist. Hat doch die Hauptstadt der Hipster der angeblichen Weltstadt mit Herz längst den Rang abgelaufen, zumindest in Sachen Glamour, Geltungsdrang und Galapremierendichte. Wenn Berliner Filmleute über jene aus München reden, ahnt man aber: Das mit der Eifersucht geht auch umgekehrt. So spricht der Berliner Regisseur Christian Petzold am Sonntagabend vor der Bayern-Premiere seines Kinofilms "Roter Himmel" so leidenschaftlich über die Münchner Filmkollegen, dass man den Eindruck hat: Dieser Mann wäre gerne Teil einer Münchner Filmbewegung gewesen.

"Die Berliner Schule hat viel mit der Münchner Gruppe gemeinsam", behauptet Petzold dann auch. Er muss es wissen, ist er doch der bekannteste Vertreter jener in Berlin geborenen Filmbewegung, die als ästhetisch anspruchsvoll und mitunter etwas sperrig gilt, die aber in den letzten zwei Jahrzehnten den internationalen Ruf des deutschen Kinos gerettet hat. Petzold-Filme wie "Transit", "Phoenix" oder "Barbara" sind vielfach preisgekrönt und wurden weltweit zu Festivals eingeladen, auch sein diese Woche in den Kinos startendes jüngstes Werk gewann bei der Berlinale im Februar einen Silbernen Bären. Aber was hat der Film über vier junge Menschen, die einen scheinbar unbeschwerten Sommer an der Ostsee verbringen, nun mit München zu tun?

Das kann der aus Berlin angereiste Regisseur genau erklären. Er spricht von der Tradition des Sommerfilms, von Vorbildern wie Klaus Lemke oder Rudolf Thome. Die genannten Herren begannen ihre Karrieren im München der Sechzigerjahre, Thomes "Rote Sonne" mit Uschi Obermaier sei nicht nur des Titels wegen Vorbild gewesen. Christian Petzold erzählt gerne und viel, seine Stars Thomas Schubert und Paula Beer sitzen neben ihm und hören zu. Sie sind gemeinsam auf Kinotournee, werden ihren Film in den kommenden Tagen auch in Köln, Hamburg oder Berlin vorstellen. Das Interesse ist groß, die Vorstellung im größten Saal des Münchner City-Kinos ist ausverkauft.

Während sich der Innenhof des Kinos mit Gästen füllt, geht es beim Gespräch in der "Filmwirtschaft" um den FC Bayern (den Petzold als Fan von Borussia Mönchengladbach nicht ganz so super findet) und um die Wiener Band "Wallners" (deren Song "In my Mind" Petzold so super findet, dass er ihn den halben Film durchlaufen lässt). Ebenfalls aus Wien stammt sein Hauptdarsteller Thomas Schubert, der in Österreich schon recht bekannt ist, jetzt aber zum ersten Mal für Petzold vor der Kamera stand.

Was insofern besonders ist, als sich der Regisseur sonst gern mit vertrauten Leuten umgibt - für Paula Beer etwa ist es schon der dritte Petzold- Film. Über seinen Neuzugang sagt er: "Thomas spielt eine echte Kackbratze - und so etwas hältst du nur aus, wenn diese Figur verzweifelt unter der eigenen Kackbratzigkeit." Da wird der 29-Jährige ein bisschen rot. Draußen beim Fototermin im Innenhof sieht es ganz anders aus: Der Himmel über München ist an diesem Abend nicht rot, sondern regengrau. Perfektes Kinowetter also.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5804610
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.