Süddeutsche Zeitung

Kinderbetreuung:Immer mehr Kitas, aber nicht genug

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Im Prinz-Eugen-Park eröffnet die 1000. Münchner Kindertagesstätte, die nicht von der Stadt betrieben wird. Der Ausbau der Betreuung geht zwar voran, doch noch immer fehlen Plätze - das liegt auch am Fachkräftemangel.

Von Kathrin Aldenhoff

Mittagszeit, die Sonne scheint in die neu gebaute Kita in der Jörg-Hube-Straße im Norden Münchens. Die Räume sind hell, sauber und leer, die Buntstifte stehen bereit, gespitzt und farblich sortiert, das Puzzle und die Holzbausteine für den bunten Turm sind noch in Plastik eingeschweißt. Nur in einem Raum sind die Fenster geöffnet, Teller stehen auf den kleinen Tischen bereit, eine Erzieherin ruft: "Kinder, wir essen."

Das Haus ist groß, hat drei Stockwerke auf denen 111 Kinder spielen, essen und schlafen können. Es sind aber erst 25 Kindergartenkinder da. Kommende Woche will Einrichtungsleiterin Alexandra Bengel die erste Krippengruppe mit zwölf Kindern eröffnen. Mehr geht nicht. Es fehlt das Personal.

Bürgermeisterin Verena Dietl, Stadtschulrat Florian Kraus und Susanne Herrmann, Leiterin des Geschäftsbereichs Kita im Bildungsreferat der Stadt München, sind ins Neubaugebiet Prinz-Eugen-Park gekommen, sie haben einen großen silbernen Schlüssel und vier goldene Luftballons mitgebracht, die eine Zahl ergeben: 1000. Die Kita, die sie besuchen, ist die tausendste Kita in München, die nicht von der Stadt betrieben wird. Sondern in diesem Fall von der Diakonie Rosenheim.

Die Stadt baut die Kinderbetreuung aus, zum Start des Kindergartenjahres 2020/2021 wurden 23 neue Einrichtungen fertiggestellt, 26 weitere sollen im Lauf des Jahres noch dazukommen. Es gibt nach Angaben der Stadt heute rund 1000 Krippenplätze und etwa 1200 Kindergartenplätze mehr als vor rund eineinhalb Jahren. Doch an vielen Stellen fehlt Personal, die Kitas suchen Erzieherinnen und Kindertagespfleger. Allein bei den städtischen Kitas ist jede zehnte Erzieherstelle nicht besetzt.

Insgesamt werden in 1450 Krippen und Kindergärten 71 600 Kinder betreut

Der Fachkräftemangel bestehe und sei in München spürbar, sagt Stadtschulrat Florian Kraus. "Deshalb ist es für die Stadt besonders wichtig, diese Menschen auszubilden und so dazu beizutragen, dass die Träger gute Mitarbeiter finden." Kraus spricht von dem neuen Ausbildungszentrum für Erziehungsberufe an der Ruppertstraße, das im Herbst eröffnet wurde. Davon, dass dort Platz für 1650 Schüler und Studierende sei; und dass sie hoffen, dem Bedarf einigermaßen gerecht zu werden.

Die Erzieher fehlen, und es fehlen auch immer noch Betreuungsplätze, vor allem im Krippenbereich. Ein Drittel der Münchner Kinder zwischen einem und drei Jahren besucht derzeit keine Krippe - der Versorgungsgrad liegt nach Angaben der Stadt bei 68 Prozent. Bei den Kindern zwischen drei und sechs Jahren ist die Situation deutlich besser, hier liegt der Versorgungsgrad bei 94 Prozent. Insgesamt werden in Münchens 1450 Krippen und Kindergärten 71 600 Kinder betreut.

Die meisten Kinder, etwa 50 000, besuchen eine nicht-städtische Einrichtung. Private Träger betreiben 43 Prozent dieser Kitas, die freien Wohlfahrtsverbände 34 Prozent und 23 Prozent sind Eltern-Kind-Initiativen. Verena Dietl sagt, diese Vielfalt mache die Kitaversorgung in München aus. Und dass es nur gemeinsam funktionieren könne. Aber es sei immer noch zu wenig, das Ziel, die Vollversorgung, sei noch nicht erreicht.

Die Stadt München fördert Kitas im Rahmen der Münchner Förderformel und eines speziellen Förderprogramms für Eltern-Kind-Initiativen mit rund 140 Millionen Euro im Jahr. Hinzu kommen die Zahlungen nach dem Bayerischen Kinderbildungs- und Betreuungsgesetz (Baykibig), rund 159 Millionen Euro im Jahr. Für Ursula Baumgartner vom KKT, dem Dachverband der Eltern-Kind-Initiativen, begann mit genau diesem Gesetz, dem Baykibig, die Vertreibung aus dem Paradies. "Wenn man sieht, wie einfach es für die Eltern-Kind-Initiativen mal war." Heute müssten sich die ehrenamtlichen Vorstände mit drei Fördermodellen auseinandersetzen. Dahinter stecke sehr viel Arbeit. Der KKT fordert ein einfacheres Fördermodell von der Stadt München, aber das sei schwierig. "Die Verwaltung müsste dafür auf Kontrolle verzichten."

Susanne Herrmann vom Bildungsreferat der Stadt verweist auf das Gute-Kita-Gesetz des Bundes. Kitas könnten mit dem Geld zum Beispiel Verwaltungskräfte anstellen, das gelte auch für Eltern-Kind-Initiativen. In den vergangenen eineinhalb Jahren seien mithilfe des Gesetzes 120 Arbeitskräfte in die Münchner Kitas gebracht worden, die nicht in der Betreuung arbeiten, sagt Herrmann. Und es gebe sehr starke Signale, dass das Gesetz, das eigentlich bis ins Jahr 2022 befristet ist, auch darüber hinaus weiter laufen werde.

Das Haus für Kinder in der Jörg-Hube-Straße, die tausendste nicht-städtische Kita Münchens, entstand im sogenannten Betriebsträgermodell. Die Stadt München baut die Kita und übergibt sie dem Träger fertig eingerichtet. Der verpflichtet sich dafür unter anderem, mit der Einrichtung der Münchner Förderformel beizutreten und die Elternentgelte der städtischen Gebührenordnung entsprechend festzulegen.

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SZ vom 03.03.2021
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