Süddeutsche Zeitung

Dobrindt besucht Bahnhöfe:Selbsterfahrung eines Ministers

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Freitagnachmittag, Berufsverkehr und ein enger Zeitplan: Unterwegs mit Alexander Dobrindt zu vier Bahnhöfen im Landkreis - mit dem Auto und natürlich mit einiger Verspätung.

Von Bernhard Lohr, Landkreis

So wünschen sich Bürger ihre Minister: Sie sollen die Probleme erkennen, schnell reagieren und sie lösen. So gesehen hat Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) am Freitagnachmittag bei einem Besuch am Bahnhof in Haar alles richtig gemacht. Ausgerechnet als er auf einer CSU-Tour zu vier Problembahnhöfen im Landkreis München in Haar Station machte und sich anhören musste, dass es um die Barrierefreiheit schlecht bestellt ist, fiel der Aufzug aus. CSU-Gemeinderätin Bettina Endriss-Herz, die mit dem Rollstuhl noch runter in die Unterführung gekommen war, saß fest.

Dobrindt zögerte nicht. Er packte den Rollstuhl an der einen Seite, der Landtagsabgeordnete Ernst Weidenbusch und der Bundestagsabgeordnete Florian Hahn an der anderen. Und rauf ging es die Treppe.

Das Bild von den zupackenden CSU-Politikern, deren Aktion viele Passanten am Bahnhof mit Respekt zur Kenntnis nahmen, war im Grunde genau die Botschaft, die von diesem Tag ausgehen sollte: Die Verkehrssituation im Landkreis ist eines der drängenden Probleme. Die CSU hat das im Landkreis erkannt und mit ihrem Verkehrsminister in Berlin den richtigen Ansprechpartner. Der Landkreis ist unter anderem mit dem Ausbau der A 99 im Bundesverkehrswegeplan üppig bedacht. Doch als CSU-Kommunalpolitiker aus dem Landkreis kürzlich bei Dobrindt in Berlin waren, kamen auch andere Missstände auf den Tisch. Der Zustand an den Bahnhöfen müsse sich bessern, hieß es in einer vollmundig als "Berliner Erklärung" versendeten Mitteilung.

Die Bürgermeister aus Oberschleißheim und Haar erschienen unerwartet

Nun war Dobrindt auf Einladung von CSU-Kreischef Hahn - wie damals zugesagt - gekommen, um sich in einem Parforce-Ritt Missstände in Oberschleißheim, Haar, Hohenbrunn und Ebenhausen-Schäftlarn anzusehen. Und der Minister erlebte einen denkwürdigen Nachmittag mit Bürgergesprächen, die im Verkehrslärm untergingen. Debatten entwickelten sich, weil unerwarteterweise außer CSU-Politikern und Bahn-Vorständen auch Vertreter von Freien Wählern und SPD kamen, die die Gunst der Stunde nutzten, ihre Sicht zu schildern.

Kurzzeitig schien es, der enge Zeitplan könnte wegen des dichten Berufsverkehrs auf der B 471 komplett aus den Fugen geraten. Als CSU-Kreisgeschäftsführer Eduard Boger seine Leute in Haar, Hohenbrunn und Schäftlarn per Handy informierte, der Minister werde wegen des Staus später kommen, kam das gar nicht schlecht an. So erlebe der Minister wenigstens, was los sei auf den Straßen, hieß es.

Mit was für Erwartungen der Besuch Dobrindts verbunden war, zeigte sich besonders in Oberschleißheim, wo die Bahnschranke an der B 471 die Gemeinde teilt. Seit Jahrzehnten kämpft Peter Benthues für eine Tieferlegung der Trasse, seit zwölf Jahren als Vorsitzender der Bürgerinitiative. Am Freitag bearbeitete er an seinem 79. Geburtstag direkt unter der meist auf Rot stehenden Schrankenampel Dobrindt und den anwesenden DB-Konzernbevollmächtigten für Bayern, Klaus-Dieter Josel. Eine Studie habe schon vor 19 Jahren belegt, dass die Gleise tiefer gelegt werden könnten, sagte er.

"So leicht kann sich die Bahn das nicht machen."

Als sich Josel wenig beeindruckt zeigte, machte er Druck: "So einfach kann sich die Bahn das nicht machen." Bürgermeister Christian Kuchlbauer (Freie Wähler) hatte die aktualisierte Machbarkeitsstudie dabei und versuchte, während er mit dem Papier in der Hand herumfuchtelte, Josel und Dobrindt klar zu machen, wie dringend der Trog und die Verlegung der Bahnsteige nach Süden seien. Sobald die Veterinärmedizinische Fakultät kommt, werden südlich der B 471 bis zu 5000 Studierende und Beschäftigte erwartet. Die Anbindung müsse optimiert werden, sagte Kuchlbauer.

Dobrindt griff nicht nur beim Rollstuhl kräftig zu. Er zeigte auch in dieser Sache Entgegenkommen. Als Bundesverkehrsminister, sagte er, lasse ihn nicht kalt, wenn eine Bundesstraße wegen langer Schrankenschließzeiten in ihrer Funktion "gestört" sei. Die bisherigen Untersuchungen seien zu vertiefen, Aussagen zu alternativen Lösungen zu treffen und Kosten zu ermitteln. Eine Zwei-Drittel-Beteiligung des Bundes könnte möglich sein. Und die Bahn, sagte er in Richtung Josel, wehre sich nach seiner Einschätzung nicht gegen die Tieferlegung. 90 Millionen Euro waren mal dafür angesetzt.

Nicht ganz so teuer ist der Bahnhofsumbau, den Haar auf eigene Rechnung angehen will. Doch immer wieder verzögert sich der Baubeginn einer Rampe auf der Nordseite und einer neuen Treppe zum Bahnhofsplatz im Süden, weil die Bahn neue Forderungen aufstellt oder Gemeinde und Bahn aneinander vorbeireden. Als Dobrindt und die Bahn-Vertreter mit 40-minütiger Verspätung in Haar eintrafen, erwartete sie der Haarer CSU-Landtagsabgeordnete Weidenbusch mit Anhängern sowie SPD-Bürgermeisterin Gabriele Müller.

In der Unterführung konfrontierte Müller Bahn-Vertreter Herbert Kölbl damit, dass von der Nordseite Tausende Bürger keinen behindertengerechten Zugang hätten. Kölbl sagte auf Drängen zu, ausstehende Stellungnahmen der Bahn zu den Plänen schnell zu liefern. Dobrindt stärkte der Gemeinde den Rücken und pochte darauf, die Chance auf eine Baufreigabe im Frühjahr 2017 zu nutzen.

Als der CSU-Kreisvorsitzende Hahn Druck machte und es hieß, schnell weiter nach Hohenbrunn zu Bürgermeister Stefan Straßmair (CSU) und zu Matthias Ruhdorfer (CSU) nach Schäftlarn zu eilen, wo es ebenfalls um Barrierefreiheit gehen sollte, musste die Zeit noch reichen, um Gemeinderätin Endriss-Herz aus der Unterführung zu bringen. In Hohenbrunn erfuhr Dobrindt im übrigen auch, dass Ministerbesuche keine Wunder bewirken. Im August 2008 war der damalige bayerische Finanzminister Erwin Huber dort, um sich die Klagen über fehlende Aufzüge und Rampen anzuhören. Er trug damals mit Straßmair demonstrativ einen Kinderwagen die Treppe hinunter. Verbessert hat sich seitdem nichts.

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Quelle:
SZ vom 16.07.2016
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