Süddeutsche Zeitung

Erneuerbare Energie:Wind vor Wald

Lesezeit: 3 min

Unterhaching will mit den Nachbargemeinden eine Interessengemeinschaft zum Bau von Rotoren im Perlacher Forst gründen. Bis zu zwölf davon könnten sich dort theoretisch drehen - doch Grünwald hat das Gebiet bereits zur Tabuzone erklärt.

Von Iris Hilberth, Unterhaching

Unterhaching hat schon länger den Perlacher Forst als Standort für Windräder im Blick. An anderer Stelle ist es in dem stadtnahen und dicht besiedelten Gemeindegebiet kaum vorstellbar, dass sich in naher Zukunft Rotoren zur Stromgewinnung drehen könnten. Der Forst allerdings ist gemeindefreies Gebiet und so hält man es in Unterhaching für eine gute Idee, mit den Nachbarn aus Taufkirchen und Oberhaching gemeinsam die Energiequelle zu nutzen. "Unterhaching will die Rolle des Motors übernehmen", sagt Rathaussprecher Simon Hötzl.

Der Energie- und Umweltausschuss des Gemeinderats hat sich am Dienstagabend einstimmig für die Gründung einer Interessengemeinschaft (IG) Windenergie Perlacher Forst ausgesprochen, die Gemeinde will dabei federführend sein. In Taufkirchen liegt bereits ein Gemeinderatsbeschluss für eine Zusammenarbeit vor, Oberhaching strebt dies offenbar ebenfalls an, wie man im Unterhachinger Rathaus weiß. Auf der westlichen Seite des Forsts allerdings ist man auf Windräder im Wald bislang nicht besonders gut zu sprechen. Im Januar hat der Grünwalder Gemeinderat den Perlacher Forst quasi zur Tabuzone für solche Anlagen erklärt, einzig die Grünen dort sehen das inzwischen anders.

Am Ende wird der Kreistag entscheiden, ob der Wind oberhalb der Baumwipfel in diesem gemeindefreien Gebiet von den umliegenden Gemeinden genutzt werden darf. In Unterhaching ist man aber überzeugt, dass man "jetzt aktiv werden muss", wie die Bauverwaltung in der Sitzung betonte. Grund für die Eile seien aktuelle Entwicklungen und schnelle Veränderungen der Rahmenbedingungen. Vor allem will man verhindern, dass externe Investoren in dem Gebiet zum Zuge kommen und die Kommunen außen vor bleiben.

Unterhaching will aber auch aufs Tempo drücken, weil die Gemeinde sich auf die Fahnen geschrieben hat, bis 2030 klimaneutral zu werden. In einer von der Gemeinde initiierten "Klimawerkstatt" mit interessierten Bürgern hat die Arbeitsgruppe "Ausbau erneuerbarer Energien" die Potenziale und Ziele für das Erreichen einer komplett erneuerbaren, regionalen Stromversorgung in Unterhaching erarbeitet. Etwa ein Drittel des Unterhachinger Strommix sollte demnach auch aus technischer Sicht aus dem Windkraft kommen.

Denn allein mit Photovoltaik lässt sich in Unterhaching der Strombedarf nicht decken. Das liegt zum einen an der mangelnden Verfügbarkeit nachts und im Winter aber auch an den begrenzt nutzbaren Dächern und Freiflächen. Angenommen wird ein Anstieg des Strombedarfs um etwa 50 Prozent aufgrund von verstärkter Nutzung von E-Mobilität sowie der Elektrifizierung industrieller Prozesse. Die Arbeitsgruppe geht von einem jährlichen Strombedarf von 30 Gigawattstunden aus der Windkraft aus. Dafür bräuchte Unterhaching mindestens drei Windräder.

Die Staatsforsten unterstützen die Pläne

Eigentümer des Areals im Wald sind die Bayerischen Staatsforsten. In Gesprächen haben diese laut Stefan Lauszat, Referatsleiter Ortsentwicklung im Unterhachinger Rathaus, Interesse an der Vergabe der beschriebenen Flächen für die Errichtung von Windenergieanlagen geäußert. Eine positive forstbetriebliche Stellungnahme durch die Bayerischen Staatsforsten für die Nutzung des Gebietes für die Energiegewinnung durch Windkraft liege bereits vor. Auch habe die Gemeinde bereits Kontakt mit dem für Oberbayern zuständigen Windkümmerer Peter Beermann aufgenommen. Nach dessen überschlägiger Betrachtung stünden rund 500 Hektar der Flächen im Perlacher und Grünwalder Forst auf Basis wirtschaftlicher, lärmschutzrechtlicher sowie artenschutzrechtlicher Belange zur Verfügung, so Lauszat. Hier wären etwa zehn bis zwölf Windräder denkbar. Die Anzahl könne sich allerdings im Laufe des Planungsprozesses, etwa aufgrund sicherheitstechnischer Belange, noch deutlich reduzieren.

Sobald die Interessengemeinschaft mit den beiden Nachbargemeinden und dem Landkreis München gegründet ist und ein Kreistagsbeschluss zur Freigabe der Flächen vorliegt, soll diese aktiv werden, einen Projektierer auswählen, eine geeignete Wirtschaftsform für den Betrieb der Anlagen definieren und das Bieterverfahrens der Bayerischen Staatsforsten unterstützen.

Unterhaching will vor allem auch die Bürger mit ins Boot holen. Der Gemeinde schwebt vor, sie sowohl an den Kosten als auch an den Gewinnen der Energiewende zu beteiligen. Der Verkauf des Stroms soll regional erfolgen. Wann das erste Windrad stehen könnte, ist derzeit noch ungewiss. "Sicher nicht in den nächsten zwei Jahren", hatte Oberhachings Bürgermeister Stefan Schelle (CSU) kürzlich geschätzt, "drei, vier Jahre wird es wohl noch dauern", vermutet auch Unterhachings Wirtschaftsförderer Hötzl.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5769564
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.