Süddeutsche Zeitung

Dokumentarfilm über König Ludwig II.:Explosiver Stoff

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Der Ottobrunner Filmemacher Klaus Bichlmeier glaubt fest daran, dass der Märchenkönig erschossen wurde. Er begegnete Menschen, die die Mordtheorie stützen und glaubt auch neue Indizien dafür gefunden zu haben. Nun will er das alles in seinem neuen Kinostreifen "Ludwig II - Die Wahrheit?" auf die Leinwand bringen.

Von Daniela Bode

Es ist, als hätte er ein glückliches Händchen, zur rechten Zeit am rechten Ort zu sein. Schon öfter traf Filmemacher Klaus Bichlmeier aus Ottobrunn durch Zufall Menschen, die ihm für seine Dokumentarfilme spannendes Historisches erzählen konnten. So erging es dem 70-Jährigen auch dieses Mal mit interessanten Neuigkeiten zum sagenumwobenen König Ludwig II.

Das Quäntchen Glück und seine Freude an den Details halfen Bichlmeier, Geheimnisse herauszufinden, die aus seiner Sicht heute ein Ertrinken oder einen Selbstmord des Königs unwahrscheinlich erscheinen lassen.

Auch ein Stück Stoff vom Hemd des Königs spielt dabei eine Rolle, dessen Besitzer der Filmemacher durch Zufall traf. Dass ein Film, in dem er neue Erkenntnisse zum Tod des Königs liefert, beim Publikum auf großes Interesse stoßen könnte, witterte Bichlmeier früh. Er machte eine Probe aufs Exempel und ergänzte eine Sequenz über den Märchenkönig in seiner Dokumentation "Zeitreise München" um die neuen Aspekte und führte den Film bereits einem Publikum vor. "Es war eine Stunde lang mucksmäuschenstill", sagt er. "Da wusste ich, das interessiert die Leute." Jetzt tüftelt der Ottobrunner Filmemacher an einer Kinoversion. "Ludwig II. - Die Wahrheit?" soll der heißen. Er soll im kommenden Februar in die Kinos kommen. Eine Vorversion zeigt Bichlmeier am Wochenende in der "Gotzinger Trommel" in Weyarn im Landkreis Miesbach. Der Zeitpunkt ist gut gewählt, jährt sich doch der Todestag Ludwigs II. am Dienstag, 13. Juni, zum 131. Mal.

Seit jeher wird über die Todesumstände des Königs gerätselt. Hat er sich umgebracht? War es ein Unfall oder gar ein Attentat? "In meinem Film komme ich zu dem Schluss: Der König ist erschossen worden", sagt Bichlmeier. Er setzt mehrere Details wie zu einem Mosaik zusammen und rekonstruiert die Todesnacht am 13. Juni 1886 akribisch. Durch Zufall kam der Ottobrunner in dem Lokal "Gotzinger Trommel" in Weyarn beim Schweinsbraten-Essen mit einem gewissen Ade Huber ins Gespräch. Wie sich herausstellte, war sein Urgroßvater Leonhard Huber der Schlossverwalter in Berg, der König Ludwig damals aus dem Starnberger See gezogen hat. Er und der Fischer Lidl sollen auch dabei gewesen sein, als dem toten König sein Hemd ausgezogen wurde. Wie Bichlmeier erzählt, behielt sich Leonhard Huber einen Streifen des Hemds als Souvenir. "Jetzt ist es in Besitz vom Urenkel Ade", sagt der Filmemacher.

Eine Bestechung, von der niemand wusste

Aber das ist längst nicht alles, was er vom Nachfahren des Schlossverwalters erfuhr. Vielmehr soll dieser dazu angehalten worden sein, über die Todesnacht zu schweigen. Dafür soll ihm ein lebenslanges Wohnrecht in Nymphenburg eingeräumt worden sein. Den Vertrag, der letzteres belegt, hat Bichlmeier gesehen. "Von dieser Bestechung hat bisher keiner etwas gewusst", sagt er.

Ungereimtheiten also, die den Verdacht nähren, dass hier etwas vertuscht werden sollte. Bichlmeier führt außerdem Details an, die seiner Meinung nach klar die Mord-These stützen. So soll der Amtsarzt Doktor Magg, der Ludwig nach seinem Tod untersuchte, im offiziellen Protokoll geschrieben haben, der König habe nur Schürfwunden gehabt. Als er selbst im Sterben lag, soll er aber seiner Tochter gegenüber sein Gewissen erleichtert haben mit folgenden Worten: "Die Wahrheit ist: Der König hatte am Rücken furchtbare Schusswunden", gibt Bichlmeier wieder. Diese These sieht der Filmemacher nicht zuletzt auch nach der Begegnung mit einem Zeitzeugen als erwiesen an: Er traf vor kurzem Fritz Beyhl, der auf Schloss Nymphenburg gelebt hat und dessen Vater dort als Handwerker tätig war.

Jener Vater soll dabei gewesen sein, als Ludwigs Mantel mit den zwei Einschusslöchern verbrannt wurde, und das der Familie danach erzählt haben. Auch mit dem Brief - die Öffentlichkeit erfuhr voriges Jahr von seiner Existenz -, in dem Ludwig wenige Tage vor seinem Tod einen Hilferuf absetzte und von einer "schändlichen Verschwörung" gegen sich spricht, stützt der Filmemacher seine Theorie. "Der Brief beweist: Unser König war nicht verrückt", sagt er. Diese Faktoren - also der Brief, das Protokoll des Arztes, das lebenslange Wohnrecht für den Schlossverwalter und die Aussage des Zeitzeugen - "haben sich zu einem explosiven Stoff" entwickelt, findet Bichlmeier.

Historie anschaulich und unterhaltsam

Damit das alles aber nicht nur spannender Stoff bleibt, sondern auch spannend anzuschauen ist, peppt der Ottobrunner die Erzählung filmisch auf vielfältige Weise auf. Das hat sich schon bei der "Zeitreise München" bewährt, die seit sechs Jahren immer wieder vorgeführt wird und anschaulich und unterhaltsam die Historie der Stadt zeigt. Interviews mit Ludwig-Forschern reichert Bichlmeier mit Bildern an und ordnet das Gesagte ein. Er hat auch selbst Bilder gemalt, beispielsweise von der Bergung des Königs und seines Psychiaters Bernhard von Gudden aus dem Boot. Auf Basis des Buchs von Alfons Schweiggert "Ludwig II. Die letzten Tage des Königs von Bayern" erzählt Bichlmeier Schritt für Schritt die letzten 100 Stunden Ludwigs in einem Protokoll.

Um hier keine Langeweile aufkommen zu lassen, arbeitet er mit regelmäßigen Stilwechseln, etwa von dramatischer zu langsamer Musik. "Es ist die Kunst, die Leute am Einschlafen zu hindern", sagt der Filmemacher. Der Reaktion auf die jüngste Filmvorführung nach zu urteilen ist sich der Ottobrunner sicher, dass das auch bei der Kinoversion gelingt.

Ob er wohl bald wieder auf Menschen trifft, die ihm einen brisanten Stoff für einen Film liefern? Es sei zwar stets Zufall, sagt Bichlmeier. Aber er gehe eben mit "sehr offenen Augen" durch die Welt, sei sehr aufgeschlossen und spreche die Leute an. Das lässt auf die nächste Dokumentation hoffen.

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Quelle:
SZ vom 10.06.2017
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