Süddeutsche Zeitung

Energiewende:Hotspot beim Fernwärme-Ausbau

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Die Stadtwerke München forcieren das Geothermie-Verbundnetz mit den Anlagen Kirchstockach, Dürrnhaar und Sauerlach. Die Anrainer profitieren.

Von Bernhard Lohr, Ottobrunn

Die Fernwärmenetze in München und in fünf Gemeinden im Süden und Osten des Landkreises München wachsen zusammen. Die Stadtwerke München (SWM) haben nahe der Carl-Wery-Straße und der Universität der Bundeswehr ein letztes Rohrstück verlegt, und das "Fernwärmenetz Südost" in Ottobrunn, Neubiberg, Hohenbrunn, Taufkirchen und dem Gewerbegebiet Brunnthal-Nord mit dem "Fernwärmenetz Perlach" verbunden. 850 Meter lang sind die bis zu 30 Zentimeter starken und gut isolierten Leitungen, mit denen die Stadtgrenze überwunden wird. Als nächstes kündigen die Stadtwerke einen Anschluss des Südost-Netzes an das "Fernwärmenetz Ost" an, das vor allem Hohenbrunn und östliche Bereiche Ottobrunns versorgt.

Parallel zu den Stadtwerken treiben die Kommunen im Landkreis ihre Pläne voran. Ottobrunns Bürgermeister Thomas Loderer (CSU) weist bei aller Sympathie für die Sache allerdings Forderungen der örtlichen Grünen zurück, die Gemeinde solle mehr Tempo machen und sich der Arbeitsgemeinschaft Fernwärme (Arge) anschließen, die Hohenbrunn, Höhenkirchen-Siegertsbrunn und Brunnthal gegründet haben. Loderer sagt, Ottobrunn sei längst Vorreiter.

Jedenfalls haben sich Ottobrunn und seine Nachbarn im Landkreis zu einem Hotspot beim Ausbau der Fernwärme entwickelt. Das hängt vor allem mit den drei großen Geothermie-Kraftwerken zusammen, die in Kirchstockach in der Gemeinde Brunnthal, in Dürrnhaar in der Gemeinde Aying und in Sauerlach stehen. Diese Anlagen gehören heute ebenso den Stadtwerken wie die ehemaligen Fernwärmenetze der Energieversorgung Ottobrunn (EVO) und der Bioenergie Taufkirchen, die heute als Fernwärmenetz Ost und Südost firmieren und mit dem Fernwärmenetz in München zusammengehen sollen. Ein großer Schritt dahin ist der Anschluss des Südost-Netzes an die Stadt. Bürgermeister Loderer rechnet bereits 2024 mit einer Verbindung des Südost-Netzes mit dem Ost-Netz im Bereich des Ottobrunner Bahnhofs.

Das Südost-Netz ist in Ottobrunn zuletzt im Bereich Zaunkönigstraße und Spatzenweg über die Rosenheimer Landstraße Richtung Osten gewachsen. Die Feuerwehr Ottobrunn und das Seniorenheim Hanns-Seidel-Haus der KWA an der Ottostraße wurden angebunden. Alleine bei der Feuerwehr würden 40 000 Kubikmeter Gas eingespart, sagt Loderer, der seine Gemeinde seit 13 Jahren beim Fernwärme-Ausbau auf dem Erfolgspfad sieht. Der Einstieg sei gelungen, als die Bioenergie Taufkirchen im Technologie- Innovationspark Fernwärme angeboten habe. Ottobrunn habe sich da drangehängt und viele öffentliche Gebäude angebunden. Parallel habe er über Verhandlungen erreicht, dass sich der Leitungsbau in Wohnvierteln gelohnt habe und möglich geworden sei. Das Südost-Netz hängt bislang noch am holzbefeuerten Biomasse-Heizkraftwerk der SWM in Taufkirchen.

Die Gemeinde investiert nicht selbst. Die Energieversorgung Ottobrunn mit ihrem Fernwärmenetz Ost gehörte einst den Stadtwerken Schwäbisch Hall, bevor die Münchner sie wie die Bioenergie Taufkirchen übernahmen. Loderer sagt, die Kommune sei finanziell zu schwach, Kraftwerke oder Wärmenetze zu bauen. "Das werden wir nie schaffen." Als Glücksfall sieht er die Wärmestrategie der Stadtwerke München mit ihrem Leitungsbau und ihren Ambitionen bei der Geothermie. Kirchstockach ist seit Sommer 2021 auch Wärmekraftwerk, das eine neun Kilometer lange Hauptleitung mit dem Ost-Netz verbindet. Ein weiterer Ausbau der Kirchstockacher Anlage und eine Einbindung auch der Kraftwerke Dürrnhaar und Sauerlach wird angepeilt.

In Hohenbrunn wird über das Ost-Netz heute das neue Stephani-Haus der Kirchenstiftung St. Stephanus im Ortszentrum CO₂-frei von Kirchstockach aus beheizt. Die Barockkirche wird per Fernwärme temperiert. In Hohenbrunn-Dorf ist laut Klimaschutzmanagerin Ilona von Schaubert einiges "in der Umsetzung". Am Rathaus fehle nur die Übergabestation. In Riemerling ist es Schaubert zufolge dank heißen Wassers aus der Tiefe unter Kirchstockach im Sportcampus, in der Mittelschule und in der Grundschule warm. Die Leitung führt aus Kirchstockach kommend durch Hohenbrunn, unter der Autobahn durch über den Notingerweg in den Ottobrunner Osten. Dort hängen Gymnasien und Realschulen auch in Neubiberg an der Fernwärme.

Putzbrunn wird von der Hauptleitung nur tangiert, profitiert aber von einer Abzweigung von der Theodor-Heuss-Straße. In der Waldsiedlung sind das Kinderhaus Salberghaus, eine Einrichtung der Lebenshilfe sowie ein Block mit Kommunalwohnungen angeschlossen. Ottobrunns Bürgermeister Loderer zeigt sich überzeugt, dass auch das künftige Putzbrunner Gymnasium an der Oedenstockacher Straße eine Erdwärme-Versorgung erhält. "Dort ist man nur noch einen Kilometer von der Leitung entfernt", sagt er. Würde man diese Gelegenheit ungenutzt lassen, müsste man sich vorwerfen lassen, irgendwo "falsch abgebogen" zu sein.

Nun pochen die Grünen darauf, dass sich Ottobrunn mit der Fernwärme-Arge eine bessere Verhandlungsposition gegenüber den Stadtwerken verschafft, um den Netzausbau in die Breite zu bringen. Sie beklagen die "hohen Anforderungen der SWM" an die Wirtschaftlichkeit, was große Bereiche der Gemeinde von einer Versorgung ausschließe. Loderer hält dem seine aus eigener Sicht beachtliche Bilanz entgegen. Für einen Anschluss von Rathaus und Wolf-Ferrari-Haus sei kommendes Jahr ein Leitungsbau von der Ottostraße hoch die Pestalozzistraße geplant, kündigt er an. Ein Beitritt Ottobrunns zur Arge wäre aus seiner Sicht, als würde man "vom ICE in den Bummelzug umsteigen".

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