Süddeutsche Zeitung

Bundestagswahl im Landkreis München:Der Piks treibt die Menschen um

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Der Wahlkampfauftritt von Gesundheitsminister Jens Spahn in Garching wird draußen von Protesten begleitet. Drinnen wollen Gäste wissen, wie der Druck auf Ungeimpfte erhöht werden kann - und was mit den Kindern ist.

Von Anna-Maria Salmen, Garching

Mehrere Streifenwagen stehen vor dem sonst so beschaulich wirkenden Gasthof Neuwirt im Garchinger Zentrum. Polizisten haben sich rund um das Gebäude postiert, einige von ihnen sind mit Gewehren und Schlagstöcken ausgestattet. Mit rot-weißem Absperrband sichern sie den Hintereingang des Wirtshauses. Davor hat sich eine Gruppe von Menschen gebildet - manche blicken nur neugierig auf die Ansammlung, andere pfeifen und tun lautstark ihren Unmut über die Corona-Politik kund. Ein Mann schreit in ein Megafon.

Der Job des Bundesgesundheitsministers ist in Pandemiezeiten nicht der leichteste, wie Jens Spahn (CDU) auch in Garching erfahren musste, wo er am Sonntagmittag bei einer Diskussionsveranstaltung des CSU-Ortsverbandes zu Gast war. Einige von denen, die draußen vor der Tür protestieren, begleiten ihn bereits seit drei Wochen, wie Spahn schließlich im Festsaal des Gasthofs erzählt und dabei schmunzelt. Auf die Straße zu gehen und seine Meinung zu äußern, das gehört für den Minister eigener Aussage nach zwar zur Demokratie - Diskussionen bringen seiner Ansicht nach jedoch weiter. Davon gab es in den vergangenen rund eineinhalb Jahren viele.

"Das ist eine Zeit, in der Spannungen da sind. Es waren 18 harte Monate", so Spahn. Dennoch, betonte er, sei Deutschland insgesamt gut durch die Pandemie gekommen, besonders im Vergleich zu anderen Ländern Europas. Der Weg aus der Krise ist für den Gesundheitsminister einer, der aktuell weiteren Diskussionsstoff bietet: Das Impfen - bei der CSU-Veranstaltung war es auch das Thema, das die Anwesenden am meisten bewegte.

Impfungen für Kinder

Gleich zwei Bürger befragten Spahn nach dem Forschungsstand bei den Impfungen für Kinder. "Ich habe einen kleinen Enkel in der Altersgruppe der Zwei- bis Fünfjährigen und habe da einfach Bedenken", sagte ein Mann. Auch im Ministerium treffen laut Spahn derartige Anfragen aktuell häufig ein. "Sie haben recht: Kinder sind keine kleinen Erwachsenen. Deswegen schauen wir da auch ganz genau hin." Derzeit würden die Studien mit Freiwilligen laufen, die Ergebnisse müsse man abwarten. Das Vorgehen sei zudem sehr behutsam: Der Impfstoff werde erst Schritt für Schritt an Kindern verschiedener Altersstufen getestet, erläuterte Spahn.

Ob die Impfpolitik nicht in gewissen Bereichen zu liberal sei, wollte ein weiterer Bürger vom Minister wissen. "Ich bin grundsätzlich auch für Freiwilligkeit, aber müsste es nicht zumindest bei bestimmten Berufsgruppen eine Pflicht geben, zum Beispiel bei Pflegepersonal?" Auch Spahn ist eigener Aussage nach davon überzeugt, dass eine Impfung etwa für Krankenpfleger selbstverständlich sein sollte - immerhin kämen sie täglich mit geschwächten Personen in Kontakt, es sei daher ihre Verantwortung, diese zu schützen. Eine Pflicht zur Immunisierung hält Spahn jedoch nicht für den richtigen Weg: "Ich fürchte, dass wir dadurch zu viele Kräfte verlieren würden." In Zeiten, in denen Pflegepersonal ohnehin knapp sei, könne man das nicht in Kauf nehmen.

Gesundheitspolitik müsse sich eben mit mehr als Corona auseinandersetzen, sagte auch Bundestagsabgeordneter Florian Hahn (CSU). Unter anderem die Pflege sei eine der zentralen Herausforderungen: Wie gestaltet man die Berufe so, dass junge Menschen sie auch ergreifen wollen? "Pflegekräfte haben eine schwache Lobby", merkte ein Bürger an und fragte Spahn, was die Politik für sie tue. Der Minister verwies auf einige bereits umgesetzte Maßnahmen, etwa sei die Ausbildung verbessert worden. "Der Weg hat begonnen, ist aber lange noch nicht zu Ende."

Dass etwa auch Asylbewerber mithelfen könnten, den Notstand in sozialen Bereichen zu mindern, berichtete ein Notfallsanitäter aus Feldkirchen, der von einem Projekt der Johanniter erzählte. "Neben mir sitzt ein Geflüchteter, der gerade seine Ausbildung zum Rettungssanitäter macht. Ich wünsche mir für diese Menschen einen besseren Start, denn wir mussten sehr viele Hürden überwinden", sagte er. "Wo Menschen mitmachen wollen, müssen die Wege leichter gemacht werden", räumte Spahn ein. "Den Leuten, die wir bräuchten, machen wir es manchmal zu schwer."

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Quelle:
SZ vom 20.09.2021
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