Süddeutsche Zeitung

Kino:Leben ohne Leiden

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Der Münchner Schauspieler und Regisseur Michael Kranz hat einen eindrucksvollen Dokumentarfilm über Zwangsprostituierte in Bangladesch gedreht. Nun kann er ihn endlich auf Kinotour präsentieren.

Von Josef Grübl, München

Wenn Künstler mit ihrem Werk die Welt verändern wollen, kann das gut für die Welt sein - für das Werk gilt das eher selten. Michael Kranz weiß das, trotzdem will er etwas ändern, als Künstler und mit den Mitteln, die ihm zur Verfügung stehen. "Aus guten Gründen nichts getan, hab' ich schon oft genug", sagt der Münchner Schauspieler in "Was tun", seinem Debüt als Dokumentarfilmer. Darin macht er sich zum Helden seines eigenen Films, spricht aus dem Off und tritt vor die Kamera während seiner Reise nach Bangladesch und auf der Suche nach einer minderjährigen Zwangsprostituierten. Diese hat er in einem Dokumentarfilm des Österreichers Michael Glawogger gesehen, in "Whore's Glory" (2011) stellt sie am Ende sogar selbst die Fragen: "Gibt es keinen anderen Weg für uns Frauen als den des Leides? Gibt es überhaupt einen Weg? Wer kann mir diese Fragen beantworten?"

Michael Kranz gingen die Gedanken der jungen Frau nicht mehr aus dem Kopf; er überlegte, warum er sich das Leid anderer Menschen ansehe und davon berühren lasse, obwohl er offenbar nichts dagegen machen könne. Und so beschloss er, etwas zu tun. Er wollte mit ihr sprechen, obwohl seit Glawoggers Film einige Jahre vergangen waren - und man sich in einem ebenso bettelarmen wie bevölkerungsreichen Land wie Bangladesch bei Personensuchen keine Illusionen machen sollte.

Vor Ort hielt er Passanten auf der Straße sein Handy unter die Nase. Darauf zu sehen: der Filmausschnitt mit der fragenden Zwangsprostituierten. Wenig verwunderlich, dass niemand sie kannte - aber schon bald kannten viele den Deutschen, der sich für das Schicksal der Bangladescher interessierte und helfen wollte. Kranz schont sein Publikum nicht, er schaut genau hin. Er geht hinein in die Bordelle, wo Kinder unter den Betten ihrer anschaffenden Schwestern oder Mütter schlafen, oder in Heime, in denen befreite Mädchen wie in Gefängnissen leben. Einmal spricht er sogar mit einem Menschenhändler, der sich einen Schal vors Gesicht gebunden hat und unverblümt erzählt, wie er Mädchen anwirbt, foltert, vergewaltigt und zur Sexarbeit zwingt. Es sei ihm egal, wenn sie leiden, sagt er, "ich brauche das Geld."

Der Regisseur macht sich frei von all den Bedenken, kalkuliert das Scheitern ein

Das ist alles kaum auszuhalten, doch Kranz will nicht nur das Leid zeigen. Der Filmtitel verrät bereits, worum es ihm wirklich geht, er sammelt Spenden ein bei den Freunden zuhause und gründet ein Kinderheim. Sogar das Mädchen, wegen dem er nach Bangladesch geflogen ist, findet er irgendwann. Das ist gut. Aber macht das auch den Film gut, den man schnell als selbstgefälliges Werk eines naiven Schauspielers abtun könnte? Als Image-Booster in eigener Sache?

Michael Kranz weiß um diese Gefahr, auch seine Professoren an der HFF München, an der sein Film als Abschlussarbeit entstanden ist, haben ihn gewarnt. Er macht sich aber frei von all den Bedenken, kalkuliert das Scheitern ein, hadert mit sich und hinterfragt immer wieder sein Handeln. Und am Ende öffnet ihm die Kamera Türen, die sonst wohl verschlossen blieben.

Was tun, D 2020, Regie: Michael Kranz, Di., 1. März, 18.45 Uhr, Monopol Kino , Schleißheimer Str. 127, danach Kinotour mit dem Regisseur nach Nürnberg, Seefeld, Neu-Ulm, München und viele weitere Städte, Bundesstart des Films am 3. März

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