Ich komme her, um mir ein bisschen Glück zu kaufen, sagt der freundliche Mann etwa in den Fünfzigern, der entspannt im Schauraum des großen Bordells von Bangkok sitzt. Kein langdauerndes Glück, spezifiziert er dann, höchstens ein, zwei Stunden ... Er trägt Anzug und Krawatte, eine Brille und verbreitet eine Aura von Dignität und Durchschnittlichkeit. Diese Mädchen, sagt er dann noch, und meine Frau, das kann man nicht vergleichen.
Diese Mädchen sitzen aufgereiht hinter Glas, mit Nummern versehen, wie in einem riesigen Schaufenster oder einem spektakulären Zoo-Aquarium, und vor der Scheibe sitzen die Männer an Tischchen, sie trinken und unterhalten sich, und das ist schon das Vorspiel dessen, wofür sie, die Kunden und Konsumenten, gekommen sind. Auch das obligatorische Kundengespräch, in dem sie sich festlegen sollen, ihre Wünsche, ihre Vorlieben und das Mädchen, das sie wohl am besten erfüllen wird, gehört zum Service. Dann geht's an die Kassen, ein Extra für die Beratungskraft inklusive, und schließlich zum Aufzug und weiter zu den Zimmern.
"Der Fishtank" heißt der erste Teil von "Whores' Glory", der in Bangkok spielt, er entwickelt ein bizarres Gefühl von Luxus und von den Schauwerten, mit denen die Werbung im modernen Kapitalismus arbeitet. Ein Triptychon nennt der österreichische Filmemacher Michael Glawogger sein Werk, auf den Fishtank folgt "Haus der Freude" in Faridpur, Bangladesch, und "La Zona", im mexikanischen Reynosa. In der Reihe Orizzonti auf dem Filmfestival in Venedig wurde der Film vor wenigen Wochen erstaufgeführt und mit dem Spezialpreis der Jury bedacht. Bei Orange Press ist ein Buch von Glawogger zu seiner Arbeit und Konzeption erschienen (256 Seiten, 30 Euro).
Glawoggers grandiose Filme aus der Arbeitswelt - 1998 gab es Megacities, 2005 Workingman's Death - haben seine Spielfilme ein wenig ins Abseits gedrängt, die berühmten Nacktschnecken, 2004, das Vaterspiel, nach Josef Haslinger und Contact High, 2009 - die letzten Endes auch nichts anderes sind als Dokumentationen zum erdverbundenen, bekifften Highlife in Österreich.
In Whores' Glory, dem dritten Film über extreme Arbeitsformen im hochentwickelten rigiden Kapitalismus, sind die fiktiven Momente stärker als zuvor - weil die Arbeit, um die es geht, mit Darstellung, mit Selbstdarstellung zu tun hat. Es ist eine Arbeit, die sich selbst zur Schau stellt. Die keine Natürlichkeit kennt, erst recht nicht, wenn eine Kamera im Spiel ist. Als es am Ende tatsächlich eine Szene im Inneren einer mexikanischen Hurenbude gibt, ist das ein Dreier mit der routinierten Hure, dem unbedarften jungen Kunden und der Kamera.
Glawoggers Filme sind auf keine Moral aus, sie stellen keine Gewissensfragen, praktizieren keinen Voyeurismus. Keine Gafferkunden! Glawoggers Arbeit hat nichts mit Sensations-, aber auch nichts mit Enthüllungsjournalismus zu tun, seine Thailand-Episode handelt eben nicht von dem, wofür das Land berüchtigt ist, dem globalen Sextourismus, sondern wo und wie die Einheimischen sich bedienen. Glawogger ist immer auf einer Ebene mit denen, von denen er erzählt, das macht seine Filme ganz elementar, verleiht ihnen ein Gefühl von Normalität. Sein Triptychon ist ein streng komponiertes Werk, von großer Schönheit.
Dass man das Glück portionieren und verhandeln und kaufen kann, ist ein Gesetz der Tauschgesellschaft, "Seine Ware", schreibt Marx im Kapital, "hat für den Warenbesitzer keinen unmittelbaren Gebrauchswert. Sonst führte er sie nicht zu Markt. Sie hat Gebrauchswert für andere." Weil das nicht ganz so eindeutig für die Tauschakte der Prostitution gilt, fragt der Film ganz beiläufig, ob es nicht doch einen Gebrauchswert gibt für die Huren, wenn sie mit Sex handeln und mit Liebe.
Die Prostituierte erzählt dir nichts, sagt Glawogger, außer du bezahlst sie. Dann gewähren sie ihm Zutritt zu ihren Räumen und Geschichten, ihren Träumen und Erinnerungen, Ängsten und Hoffnungen, die Mädchen aus der "Stadt der Freude", diesem Labyrinth von engen Gängen und winzigen Zimmern, und aus der matschig-kalten Hurenstadt "La Zona", auf deren Straßen die ekligsten und dümmsten Machos in ihren Wagen kreuzen und sich aufgeilen. Glawogger lässt sie gewähren in ihrer hilflosen Macho-Gockelei, und er klopft auch die Geschichten nicht auf ihren Wahrheitsgehalt ab. Lügen sind inklusive in seinen Filmen, manchmal ahnt man sie, manchmal wird man ihrer nicht gewärtig, im Spiel von Naivität und Raffinesse, mit seinem wechselnden Grad an Bewusstheit.
Ein Hurenfilm mit echter Frauenpower. Die Mädchen treten in Massen auf, sie reden nüchtern über die technischen Fragen beim Ficken und die Größe der Schwänze, dazwischen gibt es das Gekeife ihrer "Mütter", die sie von ihren Verwandten gekauft haben und immer wieder gut auf dem Markt platzieren müssen.
Zur Unterstützung gibt es Songs von PJ Harvey, "Dear darkness, won't you cover, cover me again", und ein böses lakonisches Gedicht von Emily Dickinson, in dem der Über-Mann, der himmlische Vater nicht gut wegkommt: "God is indeed a jealous God - / He cannot bear to see / That we had rather not with Him / But with each other play."
Bei allem Machogehabe erscheint diese Gesellschaft irgendwie matriarchalisch strukturiert. Die Männer erscheinen dominant, aber sie spielen doch nur Rollen, die ihnen zugedacht sind. Einer meiner Kunden, erzählt eine mexikanische Hure, kam mit seinem Sohn, 15 war er, und ich sollte es zum ersten Mal mit ihm machen. Später ist der Junge dann wiedergekommen, mit einem Freund. Sie hat mich entjungfert, hat er ihm gesagt, sie hat mich zu dem Mann gemacht, der ich nun bin.
WHORES' GLORY - EIN TRIPTYCHON, D/Öst. 2011 - Regie, Buch: Michael Glawogger. Kamera & Licht: Wolfgang Thaler. Schnitt und Künstlerische Mitarbeit: Monika Willi. Ton: Paul Oberle, Ekkehart Baumung. Musik Supervision: Charlotte Goltermann, Tina Funk. Delphi, 118 Minuten.