Süddeutsche Zeitung

Fünf für München:Nazinen, Wellenritte und Norwegerpullis

Lesezeit: 3 min

Julia Cortis erzählt, Arthur Pauli erinnert sich und die Mode-Meisterschüler peppen Pullis auf - die Münchnerinnen und Münchner der Woche.

Von Sabine Buchwald; Von Gerhard Fischer, München

Aus der Vergangenheit

Durch Zufall, sagt Julia Cortis, 52, sei sie auf Hermynia zur Mühlen (1883-1951) gestoßen. Es war viel mehr ein Glücksfall, dass sie den Bücherschrank vor dem Nordbad öffnete. Dort fand die Münchnerin zur Mühlens Roman "Unsere Töchter, die Nazinen". Cortis, als Sprecherin, Moderatorin und Schauspielerin immer auf der Suche nach neuen Texten, blätterte in dem etwas abgegriffenen Buch. Sie fühlte sich augenblicklich hingezogen zu dessen antifaschistischem Inhalt und fand Gefallen am Stil der Sprache, der über "proletarische Romantikliteratur" seiner Entstehungszeit hinausgehe. Geschrieben hat ihn die Autorin unter dem Eindruck der politischen Entwicklungen im Deutschland der Dreißigerjahre. Die erste Ausgabe erschien 1935. Das Buch handelt von drei Familien unterschiedlicher Schichten in einer Kleinstadt am Bodensee. Der Fokus liegt auf den Müttern und deren Töchtern, die sich pubertären Träumen hingeben - und der Nazi-Propaganda. Zum 70. Todestag von Hermynia zur Mühlen hat Cortis vergangenes Jahr das Hörbuch zu dem Roman eingesprochen. Bei der Beschäftigung mit der Autorin stellte Cortis fest, dass sie beide englische Wurzeln haben und den Hang, "über den eigenen Tellerrand hinauszusehen". Mit Katharina Manojlovic vom Literaturmuseum der Österreichischen Nationalbibliothek und LMU-Professor Sven Hanuschek wird Cortis am Mittwoch, 16. Februar, 19 Uhr, im NS-Dokumentationszentrum über zur Mühlen, ihre Zeit und ihre Werke sprechen. Zu hören sind auch Ausschnitte aus dem Roman. Der Eintritt ist frei, eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Tagesaktuelle Corona-Regeln unter: www.ns-dokuzentrum-muenchen.de.

Auf dem Wasser

Jeder kennt die Eisbachwelle am Haus der Kunst, und viele kennen die bei Surfern ebenfalls beliebte Welle an der Floßlände in Thalkirchen; aber wer hat das Flusssurfen überhaupt nach München gebracht? Und wann? Es war Arthur Pauli, und es war vor 50 Jahren. Pauli, heute 74 Jahre alt, hat nun ein Buch über die Anfänge des Riversurfens geschrieben, es heißt "Surfari" und wird am 8. März erscheinen. Er beschreibt darin, wie er - inspiriert vom Foto eines Surfers auf einem Plattencover der Beach Boys - in den Sechzigerjahren erstmals aufs Wasser ging: auf die Alz, die an seinem Elternhaus in Trostberg vorbei floss. Er hatte das Brett selbst gebastelt. Pauli zog dann zum Studieren nach München und probierte es 1971 auf der Welle am Ländkanal in Thalkirchen, etwa 200 Meter oberhalb der Floßlände. 1972 schaffte er die Welle erstmals stehend ohne Seil. Das Surfen am Eisbach entstand langsam, die Stromschnelle musste in den Achtzigerjahren entschärft werden. Bis 2010 war das Surfen dort geduldet, dann wurde es offiziell legal.

In neuen Schnitten

"Recultivate" ist das Motto dieses Schuljahres an der Deutschen Meisterschule für Mode. Man sehe die Beschäftigung mit Nachhaltigkeit als zentrales Bildungsziel, lässt die renommierte Ausbildungsstätte für angehende Designer und Modemacher verlauten. Wie sich die Schülerinnen und Schüler zeitgemäße "Sustainability" bei Textilien vorstellen, ist noch mal am Wochenende, 19./20. Februar, in der Werkschau "Remodel Remake Recultivate" im Pavillon 333 des Architekturmuseums (Türkenstraße 15) zu erleben. Ein bestaunenswertes Thema: alte Norwegerpullover umgestalten.

Für junge und alte Freunde

Hannah Kietzerow hat die Idee nach München gebracht. Vor genau einem Jahr gründete die 25-Jährige hier den Verein "Freunde alter Menschen". Die junge Sozialpädagogin darf also in diesen Tagen den ersten Geburtstag feiern. Mitgenommen hat Kietzerow die Idee aus Berlin, wo sie Soziale Arbeit studierte. Seit mehr als 30 Jahren ist der Verein dort aktiv und bringt jüngere Freiwillige mit Senioren zusammen. Berlin hat mittlerweile drei Standorte, außerdem gibt es in Deutschland Büros in Köln, Hamburg, Frankfurt und nun eben auch in München. Finanziert werden die Vereine durch Spenden. Kietzerow nennt die vermittelten Duos "Besuchspartnerschaften". Den Begriff "Patenschaften" findet sie unpassend, weil die Begegnungen auf Augenhöhe stattfinden sollen. "Die Menschen sollen sich austauschen und voneinander lernen." Der Grundgedanke geht zurück auf den Franzosen Armand Marquiset. Er gründete 1946 in Paris die Vereinigung "Petits frères des pauvres", die sich anfangs um Kriegswitwen kümmerte, aber bald auch allgemein um ältere Menschen. Die Vereine sind in zehn Ländern tätig, in denen sich 770 feste Mitarbeiter und 23 000 Freiwillige um 45 000 sogenannte alte Freunde kümmern. In München sind laut Kietzerow derzeit 35 jüngere Freiwillige am Start. "Alte Freunde" gebe es etwas weniger. Sie hofft, dass es mehr werden, wenn die Pandemie wieder abklingt, denn manche Senioren haben Angst vor Kontakten. "Dabei bräuchten sie die doch gerade jetzt", sagt Kietzerow. Die Freiwilligen müssen übrigens dreifach geimpft sein und dürfen nur getestet zu Besuch kommen. Infos: www.famev.de/muenchen.

Über die Liebe

Der Geburt eines Sohnes verdanken wir das Nymphenburger Schloss und dessen Park. Ferdinand Maria und Henriette Adelaide von Savoyen haben diese Schlossanlage 1664 aus Freude über Thronfolger Max Emanuel anlegen lassen. Diese und andere Münchner Liebesgeschichten wird der Stadtführer, Autor und Maler Paul Riedel in seiner Tour zum Valentins-Tag an diesem Montag erzählen. Sie beginnt um 14 Uhr am Sendlinger Tor und endet zwei Stunden später zur Erinnerung an das Königspaar bei der Theatinerkirche. Die Tour kostet 15 Euro, spontane Anmeldungen unter 0151/12406702.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5527956
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.